17. Sep. 2010 Lesezeit: 2 Min.

Diaspora: Mit MongoDB und Ruby on Rails auf den falschen Pferden

Wir hatten gestern hier schon die Erfolgschancen von Diaspora diskutiert, dem vermeintlichen Facebook-Herausforderer, der mit Open Source und Dezentralität punkten will.

In den Kommentaren führte Carsten Pötter ein gutes Argument gegen die Chancen auf eine Verbreitung von selbstbetriebenen Diaspora-Instanzen an:

Die eigenen Server stehen übrigens auch einer großen Verbreitung von Diaspora entgegen. Denn wie viele an Social Networking interessierte Nutzer gibt es, die einen eigenen Server betreiben? Selbst wenn es Hoster in der Art von Wordpress.com geben sollte, dürfte die Nutzerzahl begrenzt bleiben.
Nur mal so: Jeder kann einen Mail Server betreiben, jeder kann OpenID Provider werden. Frage: Wie viele Leute betreiben einen eigenen Mail Server und wie viele Leute sind ihr eigener OpenID Provider? Genau.

Als wären die Herausforderungen noch nicht genug, setzt Diaspora auch noch auf Bestandteile, die der normale User bei seinem Webhoster gar nicht vorfinden wird (via):

Nun wurde Diaspora mit Ruby on Rails geschrieben zusätzlich braucht es eine Mongo Database – zwei dinge die jetzt nicht jeder installiert hat – oder ums spezifizieren – so gut wie niemand installiert hat. Das sind schonmal zwei Hürden die so gleich vorneweg mal 80% aller Hostingoptionen ausschliessen. Man braucht dafür dann schon ein Hostingprovider der einen Kram installieren lässt was bei den meisten Shared Massen Hostern(tm) nicht funktioniert – oder man hat nen eigenen Server irgendwo stehen. Ich habe zwar eine Option das alles zu installieren – aber ehrlich gesagt weder die Zeit noch Lust dazu – ich denke so wird es vielen anderen auch gehen. Eine Einclick-Installation welche auf den meisten Servern dieser Welt funktioniert ist hier für Diaspora von höchstem Interesse könnte man denken zumal sie zu 500 Millionen Usern aufschliessen müssen.

Während MongoDB wohl in erster Linie gewählt wurde, um die Skalierung sicherzustellen - was keine schlechte Idee ist -, widerspricht dessen Einsatz aktuell dem Versprechen, dass jeder sein eigenes Social Network mit Diaspora hosten kann. Und es widerspricht auch dem Ansinnen, so schnell wie möglich zu wachsen. Letztlich bleiben damit nur echte Geeks und Unternehmen als potentielle Betreiber von Diaspora-Instanzen übrig.

Diaspora hatte die richtige Narration für die Medien (traditionelle wie Blogs):

Ein paar Studenten wollen es mit Facebook aufnehmen! Mit Open Source! Und dezentral! Datenschutz und Privatsphäre wieder in unserer Hand! Die Robin Hoods gegen das blaue Imperium!

So einfach ist es leider nicht. Mit den Grundsteinen, die Diaspora gesetzt hat, zeigt es auch, dass den Machern die vor ihnen liegenden Hürden nicht klar zu sein scheinen. (Oder: Ihr Grundversprechen, dass jeder sein eigenes Social Network betreiben kann, nicht ganz ernst gemeint war. Was durchaus sinnvoll und nachvollziehbar wäre.)

Eine Facebook-Alternative, falls die Welt das überhaupt braucht, wird aber wohl eher von anderer Stelle kommen. Müsste ich eine Wette abgeben, ich würde auf Google setzen, dass mit einem "Social Layer" seine eigenen und andere Dienste verbinden will, wie Google-CEO Eric Schmidt kürzlich andeutete.

Das heißt: standardisierte Schnittstellen, unterstützt und aggregiert vom größten Webunternehmen der Welt. (Siehe meine Ausführungen zur strategischen Langzeitausrichtung von Google mit Google Buzz, die wohl so mehr oder weniger analog auf das "Social Layer"-Vorhaben übertragen werden können.) Das klingt weitaus vielversprechender. Auch wenn Google selbst der Erfolg nicht vergönnt sein sollte, so würde Google damit zumindest den Grundstein für eine erfolgreiche soziale Vernetzung im Web abseits von Facebook bilden.

Aber das ist aber eben kein Robin Hood des Webs, den man in eine hübsche Geschichte verpacken kann.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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