4. März 2013 Lesezeit: 2 Min.

Es gab keine Pairing-Vereinbarung zur Abstimmung über das Presseleistungsschutzrecht

Nach der Abstimmung über das Presseleistungsschutzrecht im Bundestag war vielen Beobachtern zu ihrem Unmut aufgefallen, dass viele Abgeordnete der Opposition während der Abstimmung fehlten. Einige Kommentatoren vermuteten als Grund eine Pairing-Vereinbarung:

Die Vereinbarung sieht vor, dass für jeden kranken, beruflich oder dringend verhinderten Abgeordneten der Regierungsseite ein Politiker der Opposition der Abstimmung ebenfalls fernbleibt.

Diese scheint es aber nicht gegeben zu haben. Nina Galla in einem Kommentar auf Carta am letzten Freitag:

Ich habe heute alle Oppositionsfraktionen gefragt und es gab kein Pairing-Abkommen. Allein die Grünen haben einen Abgeordneten zugunsten eines erkrankten Parlamentariers der Gegenseite nicht abstimmen lassen. Lars Klingbeil von der SPD konnte keine Gründe nennen (was an sich auch schon spannend ist) und Petra Sitte nannte keine Gründe für das fernbleiben.

Und Wolfgang Michal in den Kommentaren eben da am Tag der Abstimmung:

Beim LSR (29:52) waren auf beiden Seiten mehr Abgeordnete anwesend als bei den anderen Abstimmungen (was zunächst auf Wichtigkeit hindeutet), aber im Verhältnis waren von der Opposition deutlich weniger Abgeordnete anwesend als von der Koalition.

Gäbe es ein Pairing, das sich an der Gesamtzahl der Abgeordneten orientiert, und es würden 29 Abgeordnete der Koalition entschuldigt fehlen, müssten bei der Opposition im Verhältnis dazu 33 26 Abgeordnete fehlen und nicht 52. (Koalition 330 Abgeordnete/Opposition 290)

Insofern zeigt sich, dass die Opposition in diesem Bundestag schwächer ist als sie sein müsste. Seit Jahren hat sie die gesellschaftliche Mehrheit, macht aber nichts draus.

Dass mir heute auf Nachfrage niemand erklären konnte, warum die Netzpolitiker ihre Parteiführungen nicht für diese Abstimmung motivieren konnten, zeigt nur: Die Oppositionsschwäche ist der Normalfall der Legislaturperiode 2009-2013.


Pairing oder nicht: Bei der Abstimmung zum Presseleistungsschutzrecht fehlten also mehr Mitglieder der Opposition als bei den anderen Abstimmungen am gleichen Tag.

Update: Wolfgang Michal via Email zum letzten Satz: "Es fehlten weniger. Beim LSR waren es 52, bei den anderen beiden Abstimmungen fehlten sogar 65 Oppositionsabgeordnete." /Ende des Updates

Es wäre fast schon wieder witzig: Die Spitze der Grünen fand es etwa wichtiger, statt zu diesem Gesetz im Bundestag zu sitzen das eigene Programm für die Bundestagswahl vorzustellen.

Das alles führt nun nicht nur dazu, dass Christoph Keese, als Axel-Springer-Lobbyist der Erfinder des Gesetzes, sich über Mehrheit freuen kann, "die größer als erwartet" ausfiel.

Natürlich hätte eine regere Beteiligung wahrscheinlich nichts am Ausgang geändert. Aber interessant ist es trotzdem:

Diese geringe Beteiligung deutet auch auf die Chancen hin, die ein Einspruch zum Presseleistungsschutzrecht im Bundesrat hat. Die Spitzenpolitiker der Opposition scheinen ein unwichtiges Gesetz zu sehen, für das es nicht lohnt, sich mit Axel Springer und Burda kurz vor der Bundestagswahl anzulegen.

Ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen. Nun wird sich zeigen, wie viel Einfluss die Netzpolitiker von SPD und Grünen in ihren Parteien tatsächlich haben.

Es geht, das kann man gern noch einmal wiederholen, nicht mehr zwingend um ein Verhindern des Presseleistungsschutzrechts. Es reicht bereits, eine machinenlesbare Kennzeichnungspflicht für das Presseleistungsschutzrecht in Anspruch nehmende Presseverlage einzuführen, um die größten Probleme mit dem neuen Gesetz zu minimieren.

Wenn die Netzpolitiker der Opposition nicht einmal dieses Minimum an Verhinderung von Kollateralschäden über den Bundesrat und Vermittlungsausschuss erreichen können, sind sie genau so einflusslos wie ihre Pendants in den Regierungsparteien.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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