26. Sep. 2011 Lesezeit: 3 Min.

Facebook ist nicht AOL 2.0, Facebook ist das Gegenteil

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Die unheilvolle Allianz von CCC und FAZ-Feuilleton, die Schnittmenge ist die gemeinsame Abscheu gegenüber erfolgreichen US-Webunternehmen, hat erneut einen Text von CCC-Sprecher Frank Rieger für die FAZ hervorgebracht.

Darin schreibt Rieger über Facebook:

Auf diese Bequemlichkeit setzt auch der Facebook-Konzern, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dass seine Nutzer möglichst nirgendwo anders mehr hingehen sollen, weil es ja eigentlich alles, was man braucht, schon in Facebook gibt. Die Freunde sind dort, die Einladungen zu Veranstaltungen und Parties, die Bilder, der Chat, die E-Mail ersetzenden Nachrichten und nun bald auch alles andere. Und man braucht nichts dafür zu bezahlen, schließlich ist man selbst das Produkt. Das Konzept erinnert an die Stasizentrale in der DDR. Es gab alles im eigenen Haus: Friseur, Läden, Bank, Schuster, Schneider und Ärzte.

Das ist so falsch, dass es falscher nicht sein könnte.

Viele machen den Fehler und vergleichen Facebook mit einem zweiten AOL, einem in sich geschlossenen System, weil die Nachteiligkeit der unterlegenen Zentralisierung gegenüber dem dezentralen, reichhaltigeren Web so schön deutlich wird. Rieger macht das in seinem neuesten Text für die FAZ ebenfalls.

Und zeigt im obigen Zitat, wie fehlgeleitet dieser Vergleich von der Realität ist.

Facebook ist nicht so erfolgreich, weil es so zentral wie möglich ist, sondern weil es, ausgehend von seiner Angebotskategorie, so dezentral wie möglich ist.

Facebooks Erfolg liegt in der Plattform begründet, die es erlaubt, von Twitter über Tumblr und Youtube bis hin zum eigenen Blog alles Denkbare und Undenkbare mit Facebook zu verbinden.

Facebooks Attraktivität kommt aus den Verknüpfungen mit komplexen Diensten und einfachen Websites (Like-Button!) außerhalb von Facebook.

Nochmal CCC-Sprecher und FAZ-Netzexperte Frank Rieger:

der Facebook-Konzern, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dass seine Nutzer möglichst nirgendwo anders mehr hingehen sollen, weil es ja eigentlich alles, was man braucht, schon in Facebook gibt.

Natürlich ist Facebook zentraler als, sagen wir, ein Haufen Blogs, der sich regelmäßig untereinander verlinkt, und deren Betreiber mit Email und Jabber privat untereinander kommunizieren.

Es ist die Plattform, stupid!

Aber Facebook hat gegen die anderen Social Networks von myspace bis VZ-Netzwerke gewonnen, weil es permanent Zusatznutzen hinzugefügt hat, der über die Verbindung zwischen Facebook und dem Rest des Webs möglich wurde.

Das Gleiche gilt für die aktuellen, letzte Woche bekanntgegebenen Neuerungen, die in Deutschland von vielen Beobachtern, nicht nur von Rieger, in die falsche Richtung gedeutet werden.

Facebook macht es nicht allein, Facebook bietet das alles nicht selbst an, Facebook bietet neue Verknüpfungsformen zwischen Facebook-Plattform und anderen Webdiensten an. Die Launchpartner:

Music partners for the roll-out include Spotify, MOG, Rdio, Rhapsody, Turntable, VEVO, Slacker, Songza, TuneIn, iheartradio, Deezer, Earbits, Jelli, mixcloud and others. On the video side, Facebook is integrating first with Hulu, Netflix, Blockbuster, IMDb, Dailymotion, Flixter and several others.

Facebook is also allowing for onsite consumption of news content and has established partnerships with large media partners for those features, as well.

Noch einmal die Schlussfolgerung von Frank Rieger:

der Facebook-Konzern, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dass seine Nutzer möglichst nirgendwo anders mehr hingehen sollen, weil es ja eigentlich alles, was man braucht, schon in Facebook gibt.

Facebook wird attraktiver durch das automatische Sharing, gleichzeitig werden aber auch die Angebote von Spotify bis Hulu dadurch attraktiver; sonst würden sie nicht mitmachen. Und natürlich bleiben die Angebote von Spotify bis Netflix eigenständige Produkte.

Hinzugekommen ist eine Vernetzungsmöglichkeit mit dem größten Social Network der Welt, das das größte Social Network der Welt wurde, weil es früh (2007, als erster) angefangen hat, eine Plattform aufzubauen.

Nico Lumma hat die Unterscheidung zwischen den tatsächlich entstehenden Plattformen und ihren Ökosystemen und dem falschen, aber immer wieder verbreiteten Bild eines zweiten AOLs oder eines All-in-one-Portals in einer Replik zu einem Facebook-Artikel auf sueddeutsche.de zusammengefasst:

Ultimativ sieht er [der SZ-Autor] Facebook in seinen Bestrebungen, global alle Nutzer und ihre sozialen Interaktionen einfachen zu wollen, zum Scheitern verdammt. Das kann man so sehen, oder einfach den Ökosystem-Gedanken verfolgen und sehen, daß Facebook und Google mit den geschaffenen Strukturen sehr viele Möglichkeiten zur Entfaltung bieten können. Ich tue mich auf schwer damit, von Monokulturen zu sprechen, eher von konkurrierenden Ökosystemen, die ihrerseits unterschiedliche Ausprägungen von Vielfalt zulassen, aber eben keine Monokultur darstellen.

Noch einmal Frank Rieger zum Abschluss:

Für diese aggressiv vorangetriebene Strategie, die Nutzer zum längeren Verweilen zu bewegen, gibt es handfeste wirtschaftliche Gründe. Facebook ist mitnichten ein „soziales Netzwerk“. Es ist ein Unternehmen, das eine Dienstleistung verkauft: gezielte, perfekt zugeschnittene Werbung. Der Börsenwert des Unternehmens wird folglich anhand der Anzahl, Verweildauer und Nutzungsintensität seiner Mitglieder errechnet. Jede Minute, die ein Nutzer nicht auf Facebook ist, wird als Verlust angesehen.

Natürlich ist Facebook ein Social Network. Und natürlich verdient Facebook mit Werbung (und Facebook Credits) sein Geld.

Und natürlich schrieb Frank Rieger, Sprecher des latent wirtschaftsfeindlichen CCC, seinen Text nicht für eine "Pressepublikation" sondern für die FAZ,  ein Unternehmen, das eine Dienstleistung verkauft: gezielte, perfekt zugeschnittene Werbung.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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