Als ich vor einiger Zeit ein Wochenende in Prag verbracht habe, habe ich an einem Abend ein gutes Restaurant gesucht. Natürlich findet man gute Restaurants am besten über die einschlägigen Webdienste. Nur über welche, wenn man in Prag ist?
Zuerst habe ich Qype auf meinem iPhone probiert. Die deutsche Bewertungsplattform konnte aber nur ein paar vereinzelte Reviews von deutschen Touristen aufweisen. Als nächstes probierte ich Yelp aus. Yelp ist in Tschechien gar nicht verfügbar. Schließlich testete ich Foursquare, das mir bereits in Berlin gute Dienste zum Auffinden von lohnenswerten Restaurants leistet. Und tatsächlich: Foursquare zeigte mir einige populäre Restaurants an und wir besuchten schließlich eins, das zurecht lokal sehr beliebt ist.
Checkin-Datendatendaten
Und da dämmerte es mir, wie wichtig der Checkin für Foursquares Dominanz als mobile Plattform ist. Ich hatte im Sommer 2010 ausführlich darüber geschrieben, wie Ein-Klick-Gesten wie der Checkin als Datengrundlage für Webdienste dienen können.
Foursquare zeigt das hier recht schön: Wie kann Foursquare in Ländern wie Tschechien in manchen Städten bereits nützlich sein, während Qype und Yelp und andere versagen? Der Checkin ist eine kleinere Dateneinheit als das Review. Er kann schneller abgegeben werden und damit schneller in größerer Zahl gesammelt werden. Und es funktioniert mobil, quasi nebenbei. Mittlerweile kann Foursquare über eine Milliarde Checkins verzeichnen.
Aber natürlich ist der Checkin nicht das Ziel sondern der Startpunkt.
Liegen die Daten erst einmal vor, kann man viel Interessantes damit machen. Das war von Anfang an klar, und zumindest bis zur Version 3.0 von Foursquare war es ein guter Bozo-Filter, einfach darauf zu achten, ob jemand behauptet, Foursquare bestünde nur aus Checkins und was soll das, das bringt doch alles nichts. Mit Version 3.0 hat Foursquare schließlich angefangen, die Checkin-Daten für eine ausgefuchste Empfehlungsengine zu benutzen. Eine unvermeidbare Entwicklung:
We started foursquare with the idea of “making cities easier to use,” focusing on check-ins as the atomic unit of measuring interest in a place. From our work on dodgeball (an early location-based project), we knew that while check-ins were interesting in the present tense (“Hey, Alex is at Ace Bar!”) they were most interesting when viewed in aggregate, as a history of the places you’ve been and people you’ve overlapped with. The world becomes so much more fun, social, and interesting when you have that context.
Man kann nun nach lokalen Geschäften suchen und bekommt:
- zum einen auf Foursquare populäre Geschäfte
- aber auch die bei Freunden beliebte Geschäfte
- und diejenigen Orte angezeigt, die von Leuten besucht wurden, die auch in gleiche Geschäfte wie man selbst geht.
In meinem Artikel über die Einsatzmöglichkeiten der Daten aus Ein-Klick-Gesten hatte ich über diese Funktionen bereits letztes Jahr geschrieben: Redistribution, Aggregation, 'Charts' und Personalisierung werden auf Grundlage der Datenbasis möglich.
Die Folge: Foursquare funktioniert selbst in der Qype-Hochburg Berlin nach verhältnismäßig kurzer Zeit am Markt besser als das alt eingesessene Qype. Freunde auf Foursquare zu haben und selbst einzuchecken, hilft natürlich, die Empfehlungen zu verbessern. Aber es ist nicht zwingend nötig. Auch die über das gesamte Foursquare hinweg aggregierten Daten sind bereits oft besser als Empfehlungsgrundlage als die Reviews von Qype.
Von mobil zum Web, nicht anders herum
Qype und Yelp haben ein Problem, das Foursquare-Vorgänger Dodgeball auch hatte. Sie sind der Zeit mit ihrem Start eigentlich ein bisschen zu weit voraus gewesen. Im Gegensatz zu Dodgeball haben die zwei ersteren aber ihre Zelte im Web statt auf Mobiltelefonen und SMS aufgeschlagen. Das hat ihnen gute Dienste geleistet. Bis mit dem iPhone mobile Apps groß wurden.
In dem Feld lokaler Empfehlungen sind mobile Applikationen logischerweise sehr viel nützlicher als Websites, die für den Desktop programmiert wurden. Qype und Yelp haben die Frage, wie man am besten das Problem lokaler Emfpehlungen löst, zuerst im Web gelöst und dann ihren Review-Ansatz auf ihre mobilen Apps übertragen. Die mobilen Apps waren keine Überlegung, wie man das Problem auf dem Smartphone besser lösen kann. Sie waren zunächst nur eine Spiegelung der Websites.
Foursquare dagegen ist das Problem zuerst mit der mobilen App und vor allem mit der mobilen App angegangen. Foursquare war lange Zeit nur eine mobile App. Erst nach und nach wurde die Website ausgebaut.
Gestern hat die Website erneut ein Update erfahren und es wird nun klar, dass Foursquare den umgekehrten Weg gegangen ist: Zuerst die App und ihre Funktionen. Zuerst die Frage, wie man das Problem mobil am besten löst. Und dann die Website als Erweiterung. Es erscheint zumindest aktuell, dass das der wesentlich bessere Weg ist.
Foursquare selbst schreibt über die neue Website:
It shows everything interesting nearby – your friends, places that are trending (in yellow), places on your lists (green), places with Specials (orange), and places that are popular (blue). You can even drag the map around or zoom in and out and all the interesting places update automatically.
Die neue Foursquare-Site hat einen Activity Feed mit Fotos und Checkins von Freunden. Und sie zeigt automatisch empfohlene Restaurants in der Nähe an. Besser noch: Sie zeigt automatisch passend zur Zeit Empfehlungen entweder für Frühstück oder Abendessen an. Mit der neuen Website dürfte auch die iPad-Nutzung von Foursquare dank HTML5-Einsatz neuen Aufschwung erleben.
Apps!
Foursquare ist dank der regen Community und einer soliden API trotz des noch jungen Alters recht populär bei Entwicklern. Zu recht: Foursquares Datenbank von Orten zählt zumindest für westliche Ballungszentren zu den besseren. Und zusätzlich kann Foursquare die größte Community aufweisen, die sich selbst über das Tool mit Orten verbindet.
Apps wie jene von Q&A-Site Quora verwenden Foursquare als Grundlage für ortsbasierte Funktionen. Die beliebte mobile Fotosharingapp Instagram benutzt ebenfalls Foursquare, Fotos zu Orten zuordnen zu können.
TripsQ nutzt Checkins in Flughäfen:
The app uses your airport check-ins to create a map of your trips around the world. It also delves into a bunch of interesting stats, like your carbon emissions, total miles travelled, and even how much distance you’ve covered in relation to the moon.
Die mobile App Sonar.me setzt auf die Social-Graph-Daten von Foursquare, Facebook und Twitter um Kontext für Personen im näheren Umfeld zu liefern.
ProgrammableWeb zählt allein 58 Mashups, die auf die Foursquare-API aufsetzen. Angesichts der Tatsache, dass wir mit dem mobilen Web immer noch am Anfang stehen, ist das sehr bemerkenswert.
Kooperationen
Foursquare, so sieht es zumindest aktuell aus, wird die Plattform werden, die Webdienste und lokale Geschäfte nutzen werden, um Lokales und Web mit einander zu verbinden. Foursquare wird quasi die Schnittstelle zwischen Lokal und Web.
Im Juli dieses Jahres hat Foursquare erste Kooperationen mit Deal-Anbietern abgeschlossen:
Popular check-in application Foursquare, which recently reached 10 million global users, today announced on its blog that it will be offering local daily deals from 5 new partners, including LivingSocial, Gilt City, Zozi, AT&T Interactive and BuyWithMe.Similar to how current local business specials are displayed within the “explore” tab, the new deals will show in real time and enable users to quickly secure a deal with just a few clicks. To avoid any spamming of unwanted deals, the company notes that deals will be delivered based on check-in history, location and time of day.
Im September hat Foursquare Kooperationen mit Songkick, MovieTickets.com und ESPN abgeschlossen. Damit kann Foursquare noch eine Ebene tiefer von Orten zu Events gehen: Songkick liefert Konzerte, MovieTickets.com Filmlaufzeiten in Kinos und ESPN Sportevents, in die man dann einchecken kann.
Das Gegenteil von Teufelskreis
Diese Kooperationen haben mehrere Effekte auf die Attraktivität von Foursquare. Nicht nur werden die Checkins genauer und damit wertvoller. Und nicht nur werden die lokalen Deals zu einem ersten Einkommenstrom für Foursquare führen. Zusätzlich wird die Empfehlungsmachine besser, weil auf der Foursquare-Plattform mehr Informationen vorliegen: Auf einmal findet man nach einem Tippen auf 'Erkunden' lokale Konzerte, Filme und Sportevents neben den statischen Orten vor. Und wer sich da oft genug eincheckt, kann künftig für diese Kategorien auch auf Foursquare immer bessere Empfehlungen erhalten, wie man sie heute für Restaurants und andere lokale Geschäfte bekommt.
Fazit
Jeder sollte nun ein Bild von den Möglichkeiten bekommen haben, die sich für Foursquare auftun und die weit über das hinausgehen, was etwa Qype und Yelp machen. Wie man ein Problem angeht, hat Auswirkungen darauf, welche Richtungen später möglich sind.
Natürlich hat Foursquare von Anfang vieles davon geplant und die ersten Schritte entsprechend ausgeführt. (Grundsätzlich lässt sich an der Herangehensweise von Foursquare viel über den Aufbau einer Plattform mit Community lernen.) Mittlerweile, nachdem auch dem letzten klar geworden sein dürfte, dass der Checkin das Fundament und nicht das Haus ist, dürfte sich auch deutlicher denn je zeigen, dass Foursquare in jedem wichtigen Bereich ihres Marktes gut aufgestellt sind und sie etwas machen, das aktuell sonst niemand schafft.
Ob Prag oder Provinz, Foursquare scheint das Henne-Ei-Problem des ortsbasierten Webs - man fängt in jeder Region wieder bei Null an - schneller zu lösen als alle anderen und damit schneller als alle anderen überall präsent zu sein. Und das ist das Fundament, auf dem die Plattform, die Community, die Empfehlungsmaschine, die Apps und die Kooperationen gedeihen können.
Foursquare wird die erste große mobile Plattform, die erste im großen Stil angewandte Schnittstelle zwischen Web und lokal.