Institiutionen liegt zugrunde, dass sie die Wahlmöglichkeiten der Mitglieder einschränken und die Wahlmöglichkeiten der Gesellschaft. Und das hat immer Vor- als auch Nachteile. Aber in erster Linie muss man die Konsequenzen davon erkennen.
Clay Shirky über Instiutionen, im speziellen über Institutionen in der Presse:
An editorial board meets every afternoon to discuss the front page. They have to decide whether to put the Mayor’s gaffe there or in Metro, whether to run the picture of the accused murderer or the kids running in the fountain, whether to put the Biker Grandma story above or below the fold. Here are some choices they don’t have to make at that meeting: Whether to have headlines. Whether to be a tabloid or a broadsheet. Whether to replace the entire front page with a single ad. Whether to drop the whole news-coverage thing and start selling ice cream.
Every such meeting, in other words, involves a thousand choices, but not a billion, because most of the big choices have already been made. These frozen choices are what gives institutions their vitality — they are in fact what make them institutions. Freed of the twin dangers of navel-gazing and random walks, an institution can concentrate its efforts on some persistent, medium-sized, and tractable problem, working at a scale and longevity unavailable to its individual participants.
Institutions also reduce the choices a society has to make. In the second half of the 20th century, “the news” was whatever was in the newspaper on the morning, or network TV at night. Advertisers knew where to reach shoppers. Politicians knew who to they had to talk to to get their message out (sometimes voluntarily, sometimes not.) Readers understood an Letters page as the obvious way of getting wider circulation for their views.
That dual reduction of choices masks an essential asymmetry, though. Institutions are designed to reduce they choices for their members, but they only happen to reduce the choices in society. A publisher may want reporters at their desks at 10 am, and to be the main source of breaking news for the paper’s readers. The former desire is under the publisher’s control; the latter not.
Insitutionen, hier die organisationalen Gebilde, die man Unternehmen nennt, schränken die Wahlmöglichkeiten der Mitglieder in das selbst vergebene Aufgabenfeld der Institution ein.
Wenn Institutionen ihren eigenen Aufgabenfelder neu definieren sollen, wenn sie ihre Prozesse, also ihr Wesen, umformen sollen, müssen sie nicht nur ihre Komfortzone verlassen: In der Regel sind sie so wenig darauf vorbereitet, dass sie gar nicht dazu in der Lage sind.
Wir können das aktuell bei der Tonträgerindustrie und bei der Presse beobachten. Die wenigsten Vertreter dieser Branchen legen vorbildhafte Transformationen hin.
In der Organisationstheorie gibt es es eine Richtung*, die davon ausgeht, dass auch Organisationen ein Lebensalter haben. Je älter eine Organisation, desto schwieriger fallen ihre organisationale Veränderungen. Ihre Strukturen verkrusten sozusagen.
Presseverlage gehören oft zu den ältesten Unternehmen hierzulande. Die Tonträgerindustrie hatte ihr Geschäftsmodell seit den 50er Jahren. Die Presse ihres seit Ende des 19. Jahrhunderts. Die Prozesse richten sich logischerweise nach dem zugrundeliegenden Geschäftsmodell.
Die Strukturen verkrusten. Mehr noch: In diesen Institutionen gibt es keinen, der die Aufgabe - das Nachrichtengeschäft, die Verbreitung von Musik - jemals anders erledigt hätte, als es die Institution kennt: Es gibt nur diesen einen Weg! So haben wir das immer schon gemacht. Da könnte ja jeder kommen.
Und jetzt passiert, was Shirky in seinem Text versucht zu erklären. Die Auswahlmöglichkeitenreduktion für die Mitglieder führt zur Auswahlmöglichkeitenreduktion für die Gesellschaft: Die Tatsache, dass es Unternehmen überhaupt gibt, führt dazu, dass die Gesellschaft auf diese zurückgreift, und zwar aus Mangel an Auswahlmöglichkeiten. Das muss aber nicht so bleiben.
Shirky noch einmal mit dem letzten Absatz:
That dual reduction of choices masks an essential asymmetry, though. Institutions are designed to reduce they choices for their members, but they only happen to reduce the choices in society. A publisher may want reporters at their desks at 10 am, and to be the main source of breaking news for the paper’s readers. The former desire is under the publisher’s control; the latter not.Now this seems easy enough to describe, but people inside institutions tend to confuse the two, to believe their institution is in control of both their daily routine and their destiny. And of course, the longer any given institution maintains a stable role, the less that role seems like an accident and the more it seems like a robust feature of reality.
Die Britannica und der Brockhaus fanden Absatz bis Wikipedia eine bessere Lösung für das Problem anbot.
Breaking News einmal am Tag in der Tageszeitung war genug und genau richtig, dann kam TV und dann das Internet, Blogs und Twitter. Und alle haben die Taktfrequenz erhöht.
Eine Newsapp für das iPad mit dem Namen "The Daily" herauszubringen, hat schon wieder etwas Anrühriges in seiner institutionalen Unbedarftheit. Eine solche App zeigt in Name und Veröffentlichungsrhythmus aber auch schön das Problem der Unternehmen: Sie versuchen krampfhaft ihre Art zu arbeiten auf ein neues Umfeld anzuwenden, für das diese Art nicht zwingend die beste Lösung ist.
Ein wichtiges Thema unserer Zeit sind organisationale Umstrukturierungen beziehungweise, ein Stück größer, strukturelle Umbrüche, weil Probleme heute nicht mehr zwingend am besten so gelöst werdern wie das früher einmal am besten war.
Für die Lösungsfindung ist es wichtig, nicht auf die Institutionen zu schauen sondern auf die Probleme.
Die Probleme, für deren Erledigung die Institutionen angetreten sind, müssen gelöst werden, nicht die Probleme der Institutionen selbst. Beide sind nicht zwingend identisch.
Siehe auch:
Shirky: “Institutionen werden versuchen, die Probleme zu erhalten, für die sie die Lösung sind.”
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* Leider will mir auch nach exzessivem Suchen Im Web der Name dieser Theorie nicht in den Schoß fallen. Vielleicht kann einer der Leser nachhelfen, bevor ich meine alten Ordner zur Organisationstheorie heraushole?