Der Social-Network-Selbstbaukasten Ning hat nach langer Zeit, in der man auf Freemium setzte, im Mai diesen Jahres das Freemium-Modell aufgegeben.
Der Grund: Die kostenlosen Netzwerke haben Ning keine nennenswerten Einnahmen gebracht, wie der neue CEO Jason Rosenthal nochmal gegenüber Taylor Buley von Forbes bestätigte:
300,000 free communities brought in only 20% of revenue and 25% of traffic; 15,000 paying customers footed the rest.
So wie Rosenthal macht auch Buley den Fehler, die übliche Konversionsrate von Freemium-Modellen als zu niedrig anzusehen:
Before Rosenthal took control of the company Ning was at low end of the generally accepted 5% to 10% conversion rate needed to support a freemium business model. It converted just under 5% of its total user base into paying customers.
Tatsächlich ist knapp unter fünf Prozent eine verhältnismäßig gute Konversionsrate:
Es sind, wenn man erfolgreich ist, immer (nur) 2-5% der User, die für Premium-Funktionen bezahlen. (abhängig von der Preishöhe)
Das Problem bei Ning: Die kostenfreien Social Networks haben, wie oben zitiert, hohe Traffic-Kosten verursacht und kaum direkte (Werbe-)Einnahmen eingebracht. Das Problem hier scheint vor allem der Kostenfaktor für Ning gewesen zu sein.
Nings Freemium-Ansatz war außerdem suboptimal aufgestellt. So schrieb ich seinerzeit in einem Vergleich der Ansätze von Ning und dem deutschen Konkurrenten Mixxt:
Im Gegensatz zu Mixxt bot Ning lediglich ein zweistufiges Modell an: Neben dem kostenlosen Angebot gab es ein kostenpflichtiges Angebot für 25$ pro Monat. Der Unterschied: Die kostenpflichtige Alternative war werbefrei. Der Netzwerkbetreiber konnte an der freien Stelle selbst Werbung schalten.
[..]
Der Ansatz von Mixxt scheint gewinnbringender: Statt wie Ning zwischen zwei Nutzergruppen zu unterscheiden, unterscheidet mixxt zwischen mehr Nutzergruppen und versucht ihre jeweiligen Preissensitivitäten mit einer Preisstaffelung entsprechend abzufangen. Dass man künftig auch stärker Angebote im höherpreisigen B2B-Bereich direkt auf der Plattform anbieten will, ist da nur logisch.
Die Preisstaffelung von Ning war für die angebotene Produktpalette wohl zu grob, was dazu führte, dass viel Traffic verursachende User auf dem kostenlosen Angebot sitzen blieben, weil das Premium-Angebot nicht attraktiv genug im Preis-Leistungs-Verhältnis für ihre Bedürfnisse war. Mit der neuen Preisstaffelung setzt Ning jetzt auf ein dreigeteiltes Angebot.
Nings Preiswechsel hat viele Nutzer zu zahlenden Kunden gemacht. Forbes:
Since ditching free, 35,000 Ning networks have signed up for paid plans. 265,000 presumably have not, but no matter: those numbers mean Ning wooed nearly 12% of its non-paying customers into opening up their wallet–more than double its previous conversion rate. Ning’s paying customer base is now three times its previous size.
Die 12 Prozent Konversionsrate sind natürlich relativ bedeutungslos, weil sie von einem einmaligen Vorgang herrühren. Ning hat Nutzern, die über lange Zeit eigene Communities mit den Tools von Ning aufgebaut haben, die Pistole auf die Brust gesetzt. Dafür, dass der Lock-In-Effekt in solchen Situationen recht hoch ist, würde ich bei 12 Prozent nicht von "wooing" reden. Mit der Konversionsrate im regulären Betrieb haben die 12 Prozent nichts zu tun.
Die Zahlen deuten außerdem darauf hin, dass immerhin 88 Prozent der kostenlos betriebenen Communities Ning verlassen haben müssen oder eingestellt wurden.
Freemium ist eine Geschäftsmodellbasis, die auch und vor allem auf den mittel- bis langfristigen Horizont setzt, das heißt:
- Nutzer kostenloser Accounts werden über lange Zeit der Nutzung an die Premium-Variante herangeführt.
- Die hohe Zahl der Nutzer kostenloser Accounts machen wiederrum kostenlos Werbung für das Produkt.
- Bei manchen Webangeboten machen die kostenlosen Nutzer das Gesamtangebot für die zahlenden Nutzer attraktiver. (z.B. XING, Linkedin)
- Mit einem kostenlosen Basisangebot hält man die Konkurrenz auf der Preis-Seite im Zaum. Niemand kann "kostenlos!" unterbieten.
Nichtsdestotrotz sind die aktuellen Zahlen von Ning nicht schlecht:
Are those 35,000 newly-paying customers opting for the cheapest plan as one might guess? No, says Rosenthal. “Going into this we expected we would see vastly larger number of Ning minis because of the price point,” says the Ning chief executive. “That has turned out not to be true.”
Rosenthal says his monthly recurring revenue per account is in the middle of the $3 and $50 range, meaning $318 per year per account or $15.9 million in yearly revenue. Of that, I estimate an impressive $11.1 million or around 70% can be attributed to Ning’s recent moves.
Die Frage ist natürlich, wie viele neue Community-Betreiber Ning ohne eine kostenlose Basis wird anwerben können, wenn Konkurrenten wie mixxt ein qualitativ ebenbürtiges kostenloses Basisprodukt anbieten. Wenn die Zahlen stagnieren, sind sie nicht mehr beeindruckend.
Vor allem aber erscheint mir das Freemium-Preismodell von mixxt nachhaltiger angelegt:
Mixxt bietet seit März dieses Jahres neben der kostenlosen Version zwei Premium-Angebote an. Für 9€ pro Monat bietet mixxtGO mehr Speicher- und Transfervolumen, ein werbefreies Netzwerk und die Möglichkeit, das Netzwerk auf einer eigenen Domain zu betreiben. MixxtPRO bietet für 19 Euro noch mehr Speicher- und Transfervolumen und ein De-Branding (Entfernung der Mixxt-Kennzeichen).
Langfristig, so mixxt-CEO Oliver Überholz mir gegenüber, werden die White-Label-Lösungen, die mixxt vorher direkt an Unternehmen verkauft hat, auch als große Premium-Pakete buchbar werden. Diese Lösungen mit speziellen Modulen für Marktplätze, Votings, sowie Anbindungen an CRMs sollen sich dann vor allem an Agenturen und Freelancer richten, die mit der mixxt-Plattform Netzwerke für ihre Kunden bauen.
Den Hauptumsatz macht mixxt aktuell noch vor allem mit speziellen Lösungen für größere Unternehmen wie Verlagshäuser, Hörfunksender und Pharmakonzerne.
Ob Nings Aufgabe von Freemium der richtige Schritt war, kann man nicht daran ablesen, wie viele bestehende Nutzer heute dem Ning-Ultimatum nachgegeben haben. Ob es die richtige Entscheidung war, wird man erst in einem Jahr oder später sehen können. Es könnte durchaus schwer werden für Ning, neue Kunden zu gewinnen. Das bleibt aber abzuwarten.
Nicht unwahrscheinlich ist auch, dass Ning bei fehlenden Neukunden über einen langen Zeitraum hinweg wieder ein, dieses Mal aber stark beschnittenes, kostenloses Basisangebot aufnimmt.
Ein lesenswerter Artikel, der sich mit den Nachteilen und Beschränkungen von Freemium auseinandersetzt, hat Gründer Ruben Gamez verfasst:
While there wasn’t a specific conversion rate published for MailChimp, they did mention the negative side effect of abuse-related issues:
“But the biggest bumps of all? A 354 percent increase in abuse-related issues like spamming, followed by a 245 percent increase in legal costs dealing people trying to game the system.”
Ich stimme vielen der Aussagen in Gamez' Artikel nicht zu. Vor allem missversteht auch Gamez, wann eine Konversionsrate als Erfolg zu werten ist und wann nicht. (Wohl weil er unbewusst Erfolgsquoten auf Grundlage industrieller Kostenstrukturen annimmt.) Ebenso missdeutet er die zu betrachtenden Zeithorizonte. Trotzdem lesenswert, besonders etwa was die Kostenaspekte des Supports für kostenlose Angebote betrifft. Hier noch ein Auszug:
I’ll concede that there are certain types of apps that are more likely to succeed by offering a free plan and going with the Freemium model. But the vast majority of apps aren’t in this category, and the vast majority of people don’t have the resources to make that model work.
Taking advantage of word-of-mouth marketing requires more users than most of us will attain. Instead, we end up with a large number of free users zapping away valuable resources for nothing in return. To top it off, most free users will never end up converting to a paid plan.
If we have thousands of users that don’t increase awareness and will never pay for our product, why do we insist in offering something that’s going to hurt our business? Maybe we should just skip that free plan and focus on making money instead.
Erfolgreiche Startups mit Freemium:
- GitHub: Erfolgreich ohne Fremdfinanzierung, mit Freemium
- Angry Birds, eine weitere Freemium-Erfolgsgeschichte
- Evernote, die Freemium-Erfolgsgeschichte
Außerdem sehr sehenswert zum Thema: