Falls sich jemand fragt, wie es auf Seiten derer aussieht, die stur an einem alten Urheberrecht festhalten wollen, der findet in diesem Artikel von Michael Hirschler auf dem freienblog vom DJV die Antwort: Polemik, der feste Glaube an die eigene Eloquenz und keine stichhaltigen Argumente. Das ist die Parole.
Interessant ist aber folgendes, was er über einen Text von Stefan Niggemeier und die allgemeine Debatte schreibt:
Irgendwie ist es ziemlich seltsam, dass unheimlich viel Metaphorentabus umgelegt werden, Geschäftsmodelle eingefordert werden, aber nicht zur Kenntnis genommen wird, ausgerechnet vom kritischen BILD-Verfolger, dass ja schon jemand ein schönes, schnelles und allmächtiges Geschäftsmodell aufgebaut hat. Und also schon viel Geld, so einige Milliarden wohl, mit Inhalten, ihrer Weiterleitung, Anzeige und Verlinkung macht.Von wem die Rede ist? Sie wissen es schon. Von den Netzmastodonten, der Firma Google und auch der Firma Zuckerberg, vulgo Facebook.
Das ist mittlerweile ein gängiges Vorgehen von Urheberrechtsverteidigern. Da sie einen Feind mit Gesicht brauchen, nehmen sie (neben den Freaks der "Netzgemeinde") die größten Unternehmen im Netz, die sie finden können. Diese werden dann zum Feind ummodelliert. Vollkommen egal, ob das etwas mit der Realität zu tun hat. Denn das ist eine einfacher zu vertretende (und einfacher in eine schöne Narration verpackbare) Position.
Aber schauen wir uns diese 'Argumentation' doch einmal an:
Sowohl Google als auch Facebook halten sich an geltendes deutsches Recht. Was haben sie sich vorzuwerfen?
Nur eins: Ein erfolgreiches Geschäftsmodell im Internet.
Google verdient Geld, indem es Informationen sortiert und daneben Werbung schaltet. Das meiste Geld verdient Google übrigens mit transaktionalen Suchen, also wenn jemand etwas kaufen und sich über das Produkt informieren will. Man ahnt es bereits: In diesen Suchen werden nicht einmal mehrheitlich die rechtlich zulässigen Snippets von wertvollen, urheberrechtlich geschützten Werken von zum Beispiel Presseverlagen angezeigt sondern etwa Produktseiten mit Produktbeschreibungen.
Was ist mit Facebook? Facebooks Leistung steckt in der Vernetzung der User. Auf dieser Grundlage gibt es ein eigenes Angebot, eine Plattform mit Diensten von Drittanbietern und Werbung.
An welcher Stelle bitte ist Facebook heute an Urheberrechtsverstößen beteiligt?
Sie sind für den Autoren nur “Sündenböcke” für die Fehler von Musikindustrie und Verlegern.Ja, das kann durchaus anders gesehen werden. Es könnte durchaus auch von einem verdächtigen Schweigen in Sachen Google gesprochen werden. Ein Schweigen darüber, dass diese Firma aktiv daran mitarbeitet, dass deutsche Urheberrecht (und das in vielen anderen Ländern) zu seinen Gunsten zu verändern, und wo das Recht nicht verändert werden kann, einfach die Praxis. Der Rest wird schon folgen. Die Adepten von Google reden viel über Remix, Verkürzung des Schutzes von Urheberrechten, Einführung von Fair Use, Abschaffung des Schutzes von Fotos – und so weiter und so fort. Und nie über den mächtigen Netzmonopolisten, der so wenig vom Urheberrecht und anderen Bürgerrechten***** hält.
Und hier fängt das Problem mit der Position "Google ist der Feind" an: Sobald über ein weniger restriktives Urheberrecht gesprochen wird, das auch der gesamten Gesellschaft und nicht nur dem rechteverwertenden Monopolisten zugute kommt, wird Nähe zu und Unterstützung von Google vorgeworfen.
Das ist absurd.
Wenn jeder von einem weniger restriktiven Urheberrecht profitiert, dann eben auch Unternehmen, und dann gehört dann eben auch Google dazu. Alles, was Google, Facebook oder andere Webdienste innerhalb des geltenden Rechtes machen, können auch andere Unternehmen, können auch Presseverlage, Filmstudios und, ja, sogar freie Journalisten machen.
Wo liegt das Problem, wenn Google innerhalb des geltenden Rechtes Geld verdient? Dürfen sie das aus irgendeinem Grund nicht?
Und noch viel wichtiger: Sollten wir unser Urheberrecht davon abhängig machen, welche Handlungsspielräume Google oder Facebook bekommen? Wenn ja, warum?
Oder sollten wir vielleicht eher die gesamtgesellschaftliche Situation betrachten, in der Webdienste wie die eben genannten auch eine Rolle spielen, wenn jeder Bürger mehr mit Werken machen kann?
Wer auf das böse Google schielt und dem nichts gönnt, der müsste auch gegen die Gemeinfreiheit von Werken sein, die vom bösen Google genutzt werden kann.
Wie dem auch sei. Menschen wie Michael Hirschler scheinen nicht an einer ernsthaften Debatte zur Zukunft des Urheberrechtes interessiert zu sein, weil sie in ihrer Arroganz und Ignoranz davon ausgehen, bereits zu wissen, wie es auszusehen hat: So wie es heute schon ist.
Im übrigen: In Hinterzimmern werden international TRIPS, ACTA und co. ausgehandelt. In Hinterzimmern wird national das Presseleistungsschutzrecht ausgehandelt. Seit Jahrzehnten arbeiten große Unternehmen wie der Disney-Konzern erfolgreich daran, das Copyright/Urheberrecht weltweit zu maximalisieren. Sie haben es geschafft, die Kultur in eine industriell geprägte Geißelhaft zu nehmen.
Ein konkretes Beispiel, wozu dieser weitgehend ignorierte Kulturskandal geführt hat: Ökonomen gehen davon aus, dass eine optimale Urheberrechtsschutzfrist bei 15 Jahren liegt. Das ursprüngliche Copyright lag bei initialen 14 Jahren. Die Frist des heutigen Urheberrechts liegt in Deutschland bei 70(!) Jahren nach dem Tod des Urhebers. Zum Vergleich: Die Laufzeit von Patenten beträgt 20 Jahre.
Aber Google ist der große Feind, weil es viel Geld im Internet verdient?
Ich glaub, es hackt.
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