Die größte offene Frage bei all den KI-Gadgets wie Humane AI Pin oder Rabbit R1: Du kannst die App-Rankings einer beliebigen Kategorie nicht auf die Zahl 1 eindampfen. KI ist mächtig, aber ganze Branchen wegabstrahierende Chatbots werden aus offensichtlichen Gründen nicht das nächste große Interface sein. Was also stattdessen tun?
Denn was das Eindampfen bedeutet, kann man bei Humanes AI Pin sehen. Musik beim AI Pin heißt: Tidal. Das hat nicht die Nutzerin ausgesucht. Es ist das Ergebnis eines Hinterzimmerdeals zwischen Humane und Tidal.
Das KI-Interface mag besser sein. Apps in den Appstores suchen, mag nerven. Aber es ist mit Sicherheit nicht besser, wenn wir zur mobilen Branchenstruktur der Prä-Appstore-Ära zurückkehren, als Manager der Mobilfunkanbieter im teuersten Restaurant der Stadt überzeugt werden mussten, welche mobilen Programme es wert sind, bis zum Endgerät durchzukommen, und bitte schön, ich habe ihnen noch ein Geschenk mitgebracht.
R1 versucht auch, Apps weg zu abstrahieren, geht aber einen weniger hierarchisch hermetisch abgeriegelten Weg als Humane.
Wired (von mir übersetzt, mit Hilfe von DeepL):
Rabbit OS fungiert stattdessen als eine Ebene, auf der man den Zugriff auf ausgewählte Apps über ein Webportal freischalten kann. [Jesse Lyu] zeigte mir eine Webseite namens "Rabbit Hole" mit verschiedenen Links, über die man sich bei seinen Konten bei Diensten wie OpenTable, Uber, Spotify, Doordash und Amazon anmelden kann. Tippen Sie auf einen dieser Links und Sie werden aufgefordert, sich anzumelden, wodurch Rabbit OS im Wesentlichen die Möglichkeit erhält, in Ihrem Namen Aktionen auf dem verbundenen Konto auszuführen.
Dieser Weg bringt mehrere Herausforderungen mit sich. Wired (von mir übersetzt, mit Hilfe von DeepL):
Das klingt nach einem Alptraum für den Datenschutz, aber Rabbit Inc. behauptet, dass es keine Benutzerdaten von Diensten Dritter speichert. Außerdem erfolgt die gesamte Authentifizierung über das Anmeldesystem des Drittanbieters, und Sie können den Zugriff auf Rabbit OS jederzeit aufheben und alle gespeicherten Daten löschen.
Die Erklärung von Rabbit ist Gibberish. Einem LLM einen nichtdokumentierten und damit von den Services/Apps selbst nicht abgesicherten Zugang zu geben, wird Nutzungskatastrophen geradezu heraufbeschwören. Es ist dabei egal, dass das LLM oder, wie Rabbit es nennt, das LAM (Large Action Model) die Login-Daten nicht selbst hält, wenn es die Dienste in einem virtuellen Browser benutzt, in dem es alle Rechte von der Nutzerin erhalten hat, also fast alles im Namen der Nutzerin umsetzen kann.
Vom Single Point of Failure an dieser Stelle, wenn die Login-Daten von gleich mehreren persönlich genutzten Diensten an einem Ort abgelegt werden, ganz zu schweigen. Man kann diesen Ansatz verfolgen (Zapier und co. sammeln notgedrungen etwa auch viele Login-Daten), ihn aber über inoffizielle Wege zu beschreiten, ist...gewagt.
Die zweite Herausforderung: Rabbit lagert Discovery der Dienste aus. Man loggt sich da ein, was man nutzt; man findet auf dem R1 keine neuen Apps oder Services. Das wird für die Early-Adopter-Phase der nächsten Jahre ausreichen. Aber es gibt uns aktuell weniger als die Hälfte der Geschichte.
Wie das erste iPhone ohne Appstore. Tolles Interface. Aber das Interface allein war nicht die Disruption. Es war eine Bedingung dafür.
Die wahre Dynamik, die Musik, spielt in der Discovery. Da, wo diese Zugänge Neues ermöglichen.
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Die dritte Herausforderung: Diese Anbindung funktioniert nur für Dienste, die ein Web-Login besitzen. Und diese Art von Zugang nicht sperren. Sollte der R1 halbwegs erfolgreich sein, würden Sperrungen ein konstantes Thema werden. Das geht immer mit nicht-offiziellen Zugängen wie diesem einher.
KI-native Gadgets, die nicht direkt von den zwei großen mobilen Anbietern kommen, werden also auf absehbare Zeit eine Apps/Services/Plattform-Herausforderung vor sich sehen, für die aktuell noch keine Lösung absehbar ist.
That being said.
Die Tatsache dass wir nur Monate nach der Vorstellung des Humane AI Pins mit dem R1 schon wieder über ein Endkonsumer-Gadget sprechen, das ein neuer tagtäglicher Begleiter werden will, liegt nicht an der gerade stattfindenden CES. Es liegt am Paradigmenwechsel, der mit dem Aufstieg von LLMs und KI allgemein gerade einhergeht.
Und Rabbits Ansatz zeigt in der Tat eine Richtung auf, die wir in der nächsten Zukunft häufiger sehen werden: KI-native Erweiterungen und Zugänge zu bestehenden Angeboten können diese aus Nutzersicht signifikant erweitern, weil sie mehrere Schritte zu einem zusammenfassen können. Damit werden komplexere Vorgänge in den Apps, sei es ein Marktplatz oder ein Reiseportal oder oder oder, zugänglicher. Daraus folgt wiederum eine höchstwahrscheinlich sich signifikant verschiebende Nutzung dieser Dienste.
Es öffnen sich gerade Märkte, welche die letzten Jahre quasi komplett abgeriegelt waren.