19. März 2012 Lesezeit: 2 Min.

Tatsache: Digitale Inhalte sind kopierbar und werden verteilt

Die tatsächliche Gretchenfrage der Urheberrechtsdebatte ist: Wie gehen wir mit dieser Tatsache um?

Dirk von Gehlen über Pinterest, das Teilen von Inhalten und Verständnisprobleme:

Die Welt, die sich im Digitalen öffnet, ist grundlegend anders als jene Welt, die sich die Politiker vorstellen, die Anfang März im Kanzleramt über das Leistungsschutzrecht sprachen. Die Prinzipien, die in dieser digitalen Welt gelten, unterscheiden sich deshalb so fundamental, weil sie eine Prämisse nicht nur akzeptieren, sondern beständig fortentwickeln, die die Politik einbremsen oder gar rückgängig machen möchte: digitalisierte Inhalte sind leicht teilbar, sie sind gleichzeitig an unterschiedlichen Orten verfügbar und kaum einzubremsen. Diese Tatsache ist unabhängig von der moralischen Beschaffenheit der Netznutzer, sie hängt nicht an deren Erziehung oder am Respekt, den Bürger gegenüber Urhebern (die sie im übrigen ja selber sind) aufbringen. Diese Tatsache ist vor allem dies: eine Tatsache.

Christian Buggedei in einem Kommentar zu einem Carta-Artikel:

Es gibt viele Dinge, bei denen man die “Das ist Technik, das geht halt so und nicht anders” nicht hinnehmen muss. Da kann man neue, bessere Technik konstruieren, da kann man Verbote aussprechen und sie auch kontrollieren.Dieses eine Ding – Inhalte kopieren – ist leider eine Ausnahme. Wenn wir dieses wirksam kontrollieren und einschränken wollen, müssen wir das Internet so wie es ist abschaffen. Komplett. Eigene, spontan erstellte Seiten und Dienste wird es nicht mehr geben, jeglicher Kommunikationsvorgang muss überwacht und kontrolliert werden. Alles andere wird fast sofort umgangen werden.

Siehe auch Kristian Köhntopp:

Es ist nicht das Urheberrecht das Problem, sondern es sind mehrere Mechanismen am Werk, die strukturelle Dinge ändern:
1. Weil Kopien machbar sind werden sie gemacht. Das ist auch nicht zu verhindern, ohne daß etwas ganz schreckliches entsteht, daß niemand von uns will.
2. Weil jeder sich und seine Werke publizieren kann, fragmentiert der Markt. Dazu kommt, daß viele ihre Werke kostenlos oder zu sehr niedrigen Kosten publizieren. Dadurch entsteht ein Race to the bottom.
3. Weil jeder sich publizieren kann, und die publizierten Werke teilweise Fragmente sind, die dann wieder weiter verarbeitet werden, ist Urheberschaft teilweise ein schwer feststellbares Konzept.

Die Antwort auf die Gretchenfrage, von denjenigen, die das veraltete Urheberrecht aufrechterhalten wollen, lautet: Wir ignorieren diese Tatsache. Und wenn die Auswirkungen doch zu groß werden, bekämpfen wir sie mit allen uns zur Verfügung stehenden und mittels Politikdruck hinzufügbaren Mitteln.

Wir müssen 2012 noch immer über die Tatsache reden, dass digitale Inhalte ohne zusätzliche Kosten kopierbar sind und dass dies ein wesentlicher Bestandteil des Internets ist, der größten Kopiermachine der Welt, die immer effizienter wird.

Was sagt uns das über den bisherigen Verlauf der 'Debatte'?

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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