13. Jan. 2011 Lesezeit: 2 Min.

Über die Qualität von deutschen Web-Startups

Markus Spath über die Auswirkungen der Rahmenbedingungen auf deutsche Startups im Kontext der grotesken Radiergummi-Diskussion:

und auch an die immer wieder vorgetragene Erzählung ‘das alles macht deutsche / europäische Startups wettbewerbsunfähig’ glaub ich nicht, deutsche Startups verhalten sich zu US-Startups wie Welke mit der heute-show zu Stewart mit der Daily Show, wie DSDS zu American Idol, etc; es kann durchaus die eine oder andere Leuchte geben, aber das Grundniveau ist um einige Klassen niedriger und es entstehen also ganz grundsätzlich nicht die Szenen und Wettbewerbsbedingungen, die systematisch Weltniveau erzeugen.

Mit dem Vergleich der Qualitäten/Wettbewerbsfähigkeiten von US-Webstartups und deutschen Startups liegt er sehr richtig. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass das einzige Startup mit Sitz in Deutschland, das global nicht einmal einen Konkurrenten auf Augenhöhe hat, das Berliner Musik-Startup SoundCloud ist. Warum das interessant ist? SoundCloud hat keine deutschen Gründer. Die Gründer kommen aus Schweden.

Das lässt die Vermutung zu, dass die mehrheitliche Minderwertigkeit deutscher Startups im globalen Vergleich nicht nur mit den hiesigen Rahmenbedingungen, sondern auch und vor allem mit der Mentalität vieler hiesiger Gründer und Investoren zu tun hat. Aktuell ändert sich bei beiden Gruppen, so habe ich den Eindruck, zumindest teilweise etwas.

Vielleicht liegt das auch daran, weil das einstige große (und volkswirtschaftlich gesehen ausgesprochen ungünstige) Vorbild für deutsche Webgründungen, StudiVZ, mittlerweile für alle erkennbar auf dem absteigenden Ast ist. SoundCloud bietet sich viel besser als Best Case Study an. Und das erstaunlicherweise an allen Fronten. Es ist geradezu unheimlich, wie SoundCloud praktisch alles richtig macht.

(Die Übernahme von Citydeal durch Groupon geschah im Lebenszyklus des deutschen Klons so schnell, dass es mir nicht so erscheint, als hätte sich das als 'deutsche Erfolgsgeschichte' sehr in der Wahrnehmung von etwa vielen Gründern verfestigt. Zumindest nicht bei denen, die sich nicht ausschließlich als Erfüllungsgehilfen für exitgetriebene opportune Investoren verstehen.)

Damit will ich nicht sagen, dass sich die globale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Startups insgesamt massgeblich ändern muss. Es erscheint mir nur zunehmend wahrscheinlicher, dass wir mehr einzelne 'Perlen' sehen werden. Wünschenswert wäre es allemal.

Spath hat allerdings auch recht mit den langfristigen Auswirkungen des oft (geradezu absurd) realitätsfernen deutschen Netzpolitik-Aktionismus und den ihn begleitenden und oft triggernden Debatten auf die deutsche Gesellschaft:

Die Gefahr von [Verbraucherschutz/Datenschutz] besteht also nicht so sehr in besonders schlimmen persönlichen Nachteilen, die Gefahr besteht eher in der schleichenden digitalen Emigration der einen – die es sich leisten können, denen das Internet wichtig ist – und der Provinzialisierung des Rests.

Deutscher Braindrain dank politischer Datenschutz-Hysterie.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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