Leander Wattig über den populär werdenden Fotobookmarkingdienst Pinterest und die damit einhergehende wieder einmal aufgeworfene Frage, wie Internet und Urheberrecht zusammengehen:
Das Problem hier ist, dass innovative Plattformen, zumindest in Deutschland, oft nicht oder nicht mit angemessenem Aufwand genutzt werden können (selbst wenn es dem Urheber zugute kommt und er die Nutzung wünscht). Als Nutzer lebt man dauerhaft mit der Unsicherheit, wegen auch kleinster Urheberrechtsverstöße abgemahnt zu werden und finanziell zu bluten. Das ist ein Punkt, der das gesamte Ökosystem hemmt. Wir reden ja in den meisten Fällen nicht über eine gewerbliche Nutzung fremder Inhalte, sondern über die in die Nutzung von Web-Diensten einprogrammierte Weiterverbreitung von fremden (Bild-)Inhalten.
Nicht nur den Anbietern von Plattformen, die auf user generated und/oder curated content setzen, sind auf grund des urheberrechtlichen Rahmens oft die Hände gebunden, auch die Nutzer stehen vor einem rechtlichen Dschungel.
Für mich stellt sich also nicht die Frage, ob man Plattformen wie Pinterest rechtssicher nutzen kann. Natürlich geht das – irgendwie -, wobei mir dann große Bereiche des Potenzials dieser Plattformen versperrt sind. Für mich ist eher die Frage, wie man das Urheberrecht ggf. ändern könnte, sodass die Möglichkeiten des Webs so nutzbar werden, dass der Urheber, der Nutzer und die Gemeinschaft in der Summe besser da stehen. Hier ist die heutige Situation selbst bei bestem Bemühen der Plattformbetreiber und von deren Nutzern meiner Meinung nach einfach suboptimal. Der sich korrekt verhaltende Nutzer ist derzeit tendenziell immer der Dumme, weil er viele Features meiden muss und weil er deshalb am Ende schlechter dasteht als die etwas forscheren Ausloter der Grenzen, die sich über die Inhalte-Nutzung in Grauzonen eine Reputation und Sichtbarkeit aufbauen, die ihnen auch dann erhalten bleibt, wenn sie irgendwann mal abgemahnt werden. Das führt aber beim Nutzer zu einer Gewöhnung an die permanente Abwägung, ob ein Überschreiten der rechtlichen Grenzen nicht lohnend wäre.
Ich hatte im Zuge des offenen Briefes von Mark Chung noch einmal angesprochen, was die Durchsetzung des aktuellen Urheberrechts im Web bedeuten würde:
Um tatsächlich das Urheberrecht, wie es im 19. Jahrhundert erdacht wurde, auch im 21. Jahrhundert durchzusetzen, müssen online Bürgerrechte beschnitten werden.
Das Problem ist, wie Leander Wattig bereits anspricht, dass künftig fast alles in irgendeiner Form online sein wird. Sobald Menschen Fotos, Musik etc. online nutzen, damit interagieren, werden Kopien erstellt, die eigentlich der Genehmigung bedürfen. Die Mehrheit der Aktivitäten auf Tumblr und co. verstossen gegen das Urheberrecht oder das Copyright in den USA; es wird nur selten etwas dagegen getan, was aber nichts an der rechtlichen Situation ändert.
Wenn man es genau nimmt, dann sind Dienste wie Pinterest, das ähnliche The Fancy (das ich auf Exciting Commerce vorgestellt habe), Tumblr, Posterous und viele andere, die Tools mitbringen, welche es einfach machen, Inhalte oder Teile von Inhalten zu kopieren und auf dem eigenen Account erneut zu veröffentlichen, Filesharing im neuen Gewand.
Die User nutzen Inhalte von anderen Stellen, um sie mit anderen Usern zu teilen und in einen Fluss zu geben, über den die ursprünglichen Urheber keine Kontrolle haben.
Die Frage, der sich die Gesellschaft stellen muss ist, ob sie diese Plattformen und die dadurch ermöglichte Interaktion, Neubewertung und Umverteilung von Inhalten und Kommunikation unter Nutzern höher bewertet als die durchsetzbare umfassende Kontrolle von Urhebern über ihr Werk.
Denn beides kann nicht friedlich koexistieren.