1. Juni 2018 Lesezeit: 2 Min.

Wie deutsche Autoindustrie und Netzaktivisten ein neues digitales Regulierungsparadigma vorantreiben

Warum es wichtig ist: Wir sehen die ersten Weichenstellungen eines digitalen Regulierungsparadigma, das extrem schädlich für die Internetwirtschaft in Europa sein wird, wenn es nicht aufgehalten wird.

Sascha Lobo auf Spon über Angela Merkels Rede auf dem Global Solutions Summit:

Der Rohstoff-Vergleich negiert die wichtigste Eigenschaft von Daten: ihre Digitalität. Das Bild legt eine quasi-dingliche Betrachtung von Daten nahe und stützt so das Konzept "Dateneigentum", das Merkel auch gern verwendet. Dieser schädliche und juristisch absurde Begriff führt aber geradewegs in eine Welt, in der Fakten zum Eigentum von Unternehmen erklärt werden.

​Daten als Eigentum, das besteuert werden kann und muss, scheint von der Autoindustrie zu kommen, die (zu Recht) Angst vor den Datennetzwerkeffekten bei Uber, Waymo und co. hat:

Vor allem die deutsche Auto-Lobby scheint den Begriff "Dateneigentum" in die Politik eingebracht zu haben, wie ich von verschiedenen EU-Parlamentariern weiß. Das liegt meiner Einschätzung nach daran, dass die Hardware-fixierte Autoindustrie bisher zwar viele Daten produziert, aber damit noch nicht so richtig etwas anzufangen weiß. Irgendwie sind da Google und Apple besser. Mit dem Konzept "Dateneigentum" aber soll der Datenproduzent zum vermeintlich wichtigsten Akteur gemacht werden. Auch, wenn das jeder digitalen Logik widerspricht, denn der Wert von Daten liegt nicht im schieren Besitz, sondern in der Verarbeitung und Monetarisierung.

Es ist unklar, was genau die Branche dadurch gewinnen kann, was sie sich also erhofft. Aber wie beim Presseleistungsschutzrecht und den deutschen Medien sucht auch die Automobilbranche nach irgend​einem Hebel, der ihr helfen könnte, den 'branchenfremden' Playern Herr zu werden.

Wie beim LSR auch, ändert sich aber an den grundlegenden neuen Branchendynamiken wenig, während vor allem Kleinteiligkeit schwieriger werden würde. Also auch hier werden die Großen kaum berührt werden (weil sie so oder so die Marktmacht und damit die Verhandlungsmacht haben), während zusätzliche regulatorische Reibung für Kooperationen schlecht für alle gegensätzlichen Ansätze sein wird. (Wie zum Beispiel ein Konsortium von Automobilherstellern und anderen Ökosystemteilnehmern, das dezentral ein selbstfahrendes System aufbauen will. Das wäre bereits ohne weitere Stöcke in den Rädern ein schwieriges bis unmögliches Unternehmen.)

Die Behauptung, man würde "nichts" im Tausch gegen "seine" Daten bekommen, zeigt aber nicht nur die Missachtung datenverarbeitender Leistungen, sondern folgt direkt der Rohstoff-Metapher und der Vorstellung des "Dateneigentums". Dabei ist überhaupt nicht klar, dass Daten, die durch Nutzung einer Plattform entstehen, zwingend nur den Nutzern selbst gehören müssten und also "getauscht" werden müssen.


Die Metaphernschieflage und ihre (katastrophalen) Folgen erinnern mich an die Urheberrechtsdebatte: Kopieren ist stehlen, Raubkopie, Piraterie, geistiges Eigentum. Auch da wurde der Eigentumsbegriff irreführend verwendet, um eine sonst nicht tragfähige Position salonfähig zu machen. Auch da wurde also von Lobbyisten früh mit entsprechenden Begriffen das öffentliche Framing geprägt.

Die extrem wichtige Debatte zum Urheberrecht hat sich auch nun fast 20 Jahre später noch immer nicht davon erholt.

Das Gleiche droht jetzt mit "Daten" im allgemeinen zu passieren. Die DSGVO (und mit ihr das LSR), und alles was so noch nach ihr kommen soll, fühlt sich bereits wie die erste, erfolgreiche Weichenstellung an.

Ein weiteres schwerwiegendes Problem hier ist natürlich, das sehen wir gerade deutlich bei der DSGVO, dass die Netzaktivistenszene, die mal mehr mal weniger erfolgreich gegen Urheberrechtsverschärfungen vorging und zumindest als (neben Akademikern einzige) gesellschaftliche Korrekturinstanz gegen den in der Öffentlichkeit dominierenden Urheberechts-Diskurs wirkte, fast vollständig für maximalen Datenschutz, Dateneigentum, usw. usf. ist.1

Wie würde das Urheberrecht in Deutschland und Europa wohl heute verankert sein, wenn Netzaktivisten (aus Versehen) gemeinsam mit Einzelinteressen aus der Wirtschaft unermüdlich für eine Verschärfung gekämpft hätten?

Man stelle sich etwa Demonstrationen nicht gegen sondern für SOPA vor.

Eine Hoffung gegen dieses sich abzeichnende Szenario könnte auf den wenigen wachsenden deutschen Digitalriesen wie Zalando liegen. So eine Hoffung wäre aktuell allerdings eher naiv.


  1. Es ist eine der größeren Inkonsistenzen der netzaktivistischen Positionen in Deutschland, dass man glaubt, Urheberrecht könne im Internet nicht hundertprozentig verfolgt werden, ohne Grundrechte einzuschränken, aber gleichzeitig der Ansicht ist, dass personenbezogene Daten, etwas viel kleinteiligeres, schwerer kontrollierbar und rundherum noch schwerer fassbar als Urheberrechte, ohne größere Probleme komplett gezäumt werden können.
Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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