Kathrin Ganz und ich haben als Vertreter des Otherwise Networks dem Projekt Zurück in die Arbeitswelten der Zukunft ein Interview zur Zukunft der Arbeit gegeben. Das Projekt 'Zurück in die Arbeitswelten der Zukunft' ist eine Kooperation des Karlsruher Instituts für Technologie, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und des Vereins science2public. Hier ein paar Ausschnitte aus dem Interview:
Eine große Gefahr, die vielerorts diskutiert wird, ist eine massiv steigende Arbeitslosigkeit durch Automatisierung. Diese Sorge ist nicht überraschend, aber nicht zwingend begründet. Technologischer Fortschritt hat immer zu Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt geführt. Sprich: manche Jobs verschwinden, während gleichzeitig neue Jobs entstehen. Es gibt heute keine Telefonisten mehr und Excel hat ganze Abteilungen in Unternehmen ersetzt. Aber zu Massenarbeitslosigkeit hat das nicht geführt. [...]
Veränderungswille und damit auch Gestaltungswille sind wichtig, weil vieles entweder nicht aufgehalten werden kann oder nicht aufgehalten werden sollte. Man hätte etwa gesetzlich die Telefonisten schützen können, aber das wäre auf Kosten der gesamten telefonierenden Gesellschaft gegangen. Ist es sinnvoll, Systeme zu behindern, die Ärzten helfen, frühzeitig Krebs zu erkennen, weil sie autonom dank Machine Learning eine hohe und zum Teil sogar bereits höhere Trefferquote haben als Ärzte? Natürlich nicht. Möchte irgendjemand von einer Maschine diese Diagnose oder diesen ersten Verdacht hören? Das darf bezweifelt werden.
Statt über utopische Nebelkerzen wie das bedingungslose Grundeinkommen zu sprechen, das, wenn überhaupt, erst in ein paar Jahrzehnten politisch machbar sein wird und selbst dann nicht die Lösung für alle Herausforderungen sein wird1, ist es allerhöchste Zeit über konkrete Themen der sich bereits verschiebenden Arbeitswelt zu sprechen. Themen, die zumindest ich bis jetzt nicht im deutschen Diskurs sehe:
Damit sich Arbeitsfelder wie weiter oben erwähnt verschieben können, muss Raum zur Verschiebung existieren. Clay Shirky, ein US-amerikanischer Denker zum Thema Internet, hat einmal gesagt, dass in tiefgreifenden Umbrüchen, wie wir es aktuell erleben, das Alte schneller kaputt geht als das Neue entstehen kann. Wir können das gerade überall beobachten. Vor dem oben beschriebenen Hintergrund (fortschreitende Augmentierung, Rollenverschiebungen, Branchenumbrüche) ist es deshalb wichtig, vorsichtig Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich Neues potenziell entfalten kann. Das ist diskursiv schwierig transportierbar, aber eigentlich das wichtigste Arbeitsthema.
Zwei Beispiele. Erstens: Unterschätzt wird aktuell, welche wichtige Rolle beispielsweise das Werbegeschäft von Facebook für eine Arbeitswelt von morgen spielen wird. Der vollautomatisierte Ansatz von Facebook-Werbung (und anderer Plattform-Werbung) erlaubt günstige und kleinteilige Nischenwerbung, die auch und gerade für Einzelunternehmungen nicht nur interessant, sondern geradezu überlebenswichtig sein können. Diese Werbeform muss regulatorisch begleitet werden, um die auch hier bestehende Marktmachtasymmetrie zu lindern. Ihre Vorteile für den “long tail” dürfen nicht zerstört werden.
Noch mehr Menschen wird das zweite Beispiel betreffen:
Zweites Beispiel: Wer Geld mit Uber oder Amazon Flex verdient, ist weder angestellt noch im klassischen Sinne selbständig. Diese Arbeitsform muss politisch definiert werden, so dass die sie einsetzenden Plattformen etwa für Sozialabgaben entsprechend besteuert werden können. Das ist machbar, ohne die mit dieser Arbeitsteilung verbundenen gesellschaftlichen Vorteile zu verlieren.
Wir brauchen mehr konkrete konstruktive Vorschläge für die Arbeitswelt von morgen.
Mehr dazu auch im Interview.
- Ich sage das seit Jahren: Ein BGE wird vor allem beispielsweise zu äquivalenten Mietpreissteigerungen und Lebensmittelverteuerungen führen. Für finanziell schlechter gestellte Menschen wird das BGE deshalb keine Entlastung darstellen, wenn alles andere so bleibt wie es ist. Was dagegen einen spürbaren Unterschied im heutigen Alltag für viele Menschen machen würde, wäre eine offensive, umfassende politische Unterstützung von Genossenschaften, um den größten Kostenpunkt der Lebenshaltung -das Dach über'm Kopf- anteilig zu den gesamten Lebenshaltungskosten zu verringern. Im Zentrum sozialer Politik müsste Genossenschaftspolitik stehen. Das langfristige politische Ziel sollte sein, etwa mindestens(!) die Hälfte des Wohnraums in den wachsenden Großstädten genossenschaftlich organisiert zu sehen. (Siehe etwa Wien als Beispiel) ↩