Der folgende Artikel ist in der Februar-Ausgabe des Musikmarkt erschienen. Erst nach Abgabe des Textes ist mir aufgefallen, dass ich ausgerechnet die deutsche Crowdfunding-Plattform Sellaband vergessen hatte zu erwähnen.
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Auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter haben 2010 über 1.140 Musik-Projekte ihre Finanzierung erfolgreich abschließen können.
Crowdfunding ist ein verhältnismäßig neues Phänomen, das sich aktuell anschickt, Wellen zu schlagen. Auf einer Crowdfunding-Plattform können interessierte Macher – Musiker, Kreative, Startup-Gründer – ihre Projekte vorstellen und um finanzielle Unterstützung werben. Unterstützer können Fans, Brüder im Geiste oder potentielle Kunden der künftigen Startups sein. Wird die vom Projektmacher benötigte Summe im vorgegebenen Zeitrahmen, der meist um die 30 Tage beträgt, erreicht, findet die Crowd-Finanzierung statt. Die anonyme Masse wird zum Fremdkapitalgeber.
Auf diesem Weg haben 2010 über 1.140 Musiker verschiedenste Projekte von den Ausgaben für CDs und Verpackung über professionelle Musikaufnahmen bis hin zur kompletten Albumproduktion über Kickstarter erfolgreich finanziert. Aber was erhalten dabei die im Vorfeld zahlenden Fans? Je nachdem, wie viel der einzelne Fan bereit ist zu geben, kann er vom T-Shirt oder dem Album bis hin zur signierten LP oder einem Abendessen mit dem Musiker die verschiedensten Dinge zurückerhalten. Was der Fan für wie viel bekommt, bestimmen die Musiker selbst.
Die Kunst für die Musiker liegt damit also auch darin, den potentiellen kapitalgebenden Fans nicht nur das Projekt sondern auch die einzelnen persönlichen Dankeschöns schmackhaft zu machen.
Der Singer-Songwriter Bleu etwa kochte Drei-Gänge-Menüs für seine Unterstützer oder spielte in deren Wohnzimmern. Mit Erfolg: Statt der geforderten 8.000 US-Dollar erhielt er insgesamt 39.000.
Über diese neue Form der Finanzierung können auch ungewöhnliche, anders kaum tragfähige Musik-Projekte gefördert werden. Musopen lässt Orchester klassische Musikstücke aufnehmen und stellt diese Aufnahmen anschließend gemeinfrei zur Verfügung. Über Kickstarter wollte man dafür 11.000 US-Dollar einsammeln. Musopen erhielt am Ende stattdessen über 68.000 US-Dollar.
Mit Kickstarter vergleichbare deutsche Plattformen sind Startnext und mySherpas. Wie bei Kickstarter wird auch auf diesen Plattformen die Summe erst ausgezahlt, wenn die vorgegebene Höhe auch erreicht wurde.Während Startnext sich auf kulturelle und kreative Projekte beschränkt, steht mySherpas jeder Art von Projekten offen.
Mehr Informationen zum Thema:
Kickstarter: www.kickstarter.com/
Musopen: http://www.musopen.org/
Startnext: http://startnext.de/home.html
mySherpas: http://www.mysherpas.com/
Klaus Gropper says
Interessant, dass sich in UK dagegen eher das Modell Crowd-Kredit durchgesetzt hat – Zopa.com, FundingCircle, firstfunding.org/, crowdcube.com/ – alles Plattformen, über die Investitionskapital geliehen, nicht gegen Incentives oder das Gefühl ‚dabei zu sein‘ getauscht wird.
Interessant wäre, ob und in welchem Umfang dort echte Investoren und nicht nur Privatpersonen Geld investieren?
Roughe says
Subskriptions-Modelle sind an sich ja nun nichts Neues – online hat vllt. Prince damit 1997 begonnen, spontan fallen mir aktuell noch Radiohead oder Gang of Four ein, die das gerade machten. An deutschen Bands gab es da vor Jahren Angelika Express, die richtige „Aktien“ herausgegeben haben. Neu ist hier nur die Bündelung in der Plattform, über die man dann sicher wesentlich mehr Leute erreicht.
Für die Bands seh ich allerdings keinen grossen Unterschied oder Vorteil zu einer Bindung an ein Plattenlabel mit einem Bandübernahmevertrag – dort bekomme ich einen nicht rückzahlbaren Vorschuss und habe noch nicht einmal ein Produktionsrisiko (bezogen auf die Tonträgerproduktion, nicht die Musikproduktion) und bin die gesamte Administrations-, Marketings- und Distributionschose auch los. Mhm.
Aber für Bands ohne Deal — oder auch für Labels ohne Kapital! — sicher interessant!
Marcel Weiss says
Ja, das ist dann ein anderes Konzept, das leicht andere Anreize schafft. Interessant. Ich glaube aber, dass das Kickstarter-Konzept für kreative Bereiche wahrscheinlich besser funktioniert, weil es die emotionale Seite besser anspricht.
Marcel Weiss says
Wo siehst Du hier die Verbindung zu Subskriptions-Modellen?
Roughe says
Ich versteh die Frage nicht – bei den Crowdfunding-Portalen bezahl ich doch vorab für eine Ware, die ich später erhalte? Steht doch so in deinem Artikel ;)
Marcel Weiss says
So betrachtet ist es aber doch eher eine Vorauszahlung denn ein Abonnement
(Subskription), oder?
Der Unterschied zu Prince und Co. ist, dass es hier immer nur um ein Projekt
geht, das in Zeit und Objekt begrenzt ist. Eine LP-Produktion etc.
Roughe says
Achso, gut, ist der Begriff „Subskription“ von mir nicht wirklich treffend. Um einzelne Projekte geht es aber auch bei den andern erwähnten Acts wie Radiohead, Gang of Four, Angelika Express, Prince (hat nicht nur Abo Modelle gehabt), die das ohne Portal auf die Beine bestellt haben – geht bei der jeweiligen Fanbase dann natürlich auch.