Die unheilvolle Allianz von CCC und FAZ-Feuilleton, die Schnittmenge ist die gemeinsame Abscheu gegenüber erfolgreichen US-Webunternehmen, hat erneut einen Text von CCC-Sprecher Frank Rieger für die FAZ hervorgebracht.
Darin schreibt Rieger über Facebook:
Auf diese Bequemlichkeit setzt auch der Facebook-Konzern, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dass seine Nutzer möglichst nirgendwo anders mehr hingehen sollen, weil es ja eigentlich alles, was man braucht, schon in Facebook gibt. Die Freunde sind dort, die Einladungen zu Veranstaltungen und Parties, die Bilder, der Chat, die E-Mail ersetzenden Nachrichten und nun bald auch alles andere. Und man braucht nichts dafür zu bezahlen, schließlich ist man selbst das Produkt. Das Konzept erinnert an die Stasizentrale in der DDR. Es gab alles im eigenen Haus: Friseur, Läden, Bank, Schuster, Schneider und Ärzte.
Das ist so falsch, dass es falscher nicht sein könnte.
Viele machen den Fehler und vergleichen Facebook mit einem zweiten AOL, einem in sich geschlossenen System, weil die Nachteiligkeit der unterlegenen Zentralisierung gegenüber dem dezentralen, reichhaltigeren Web so schön deutlich wird. Rieger macht das in seinem neuesten Text für die FAZ ebenfalls.
Und zeigt im obigen Zitat, wie fehlgeleitet dieser Vergleich von der Realität ist.
Facebook ist nicht so erfolgreich, weil es so zentral wie möglich ist, sondern weil es, ausgehend von seiner Angebotskategorie, so dezentral wie möglich ist.
Facebooks Erfolg liegt in der Plattform begründet, die es erlaubt, von Twitter über Tumblr und Youtube bis hin zum eigenen Blog alles Denkbare und Undenkbare mit Facebook zu verbinden.
Facebooks Attraktivität kommt aus den Verknüpfungen mit komplexen Diensten und einfachen Websites (Like-Button!) außerhalb von Facebook.
Nochmal CCC-Sprecher und FAZ-Netzexperte Frank Rieger:
der Facebook-Konzern, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dass seine Nutzer möglichst nirgendwo anders mehr hingehen sollen, weil es ja eigentlich alles, was man braucht, schon in Facebook gibt.
Natürlich ist Facebook zentraler als, sagen wir, ein Haufen Blogs, der sich regelmäßig untereinander verlinkt, und deren Betreiber mit Email und Jabber privat untereinander kommunizieren.
Es ist die Plattform, stupid!
Aber Facebook hat gegen die anderen Social Networks von myspace bis VZ-Netzwerke gewonnen, weil es permanent Zusatznutzen hinzugefügt hat, der über die Verbindung zwischen Facebook und dem Rest des Webs möglich wurde.
Das Gleiche gilt für die aktuellen, letzte Woche bekanntgegebenen Neuerungen, die in Deutschland von vielen Beobachtern, nicht nur von Rieger, in die falsche Richtung gedeutet werden.
Facebook macht es nicht allein, Facebook bietet das alles nicht selbst an, Facebook bietet neue Verknüpfungsformen zwischen Facebook-Plattform und anderen Webdiensten an. Die Launchpartner:
Music partners for the roll-out include Spotify, MOG, Rdio, Rhapsody, Turntable, VEVO, Slacker, Songza, TuneIn, iheartradio, Deezer, Earbits, Jelli, mixcloud and others. On the video side, Facebook is integrating first with Hulu, Netflix, Blockbuster, IMDb, Dailymotion, Flixter and several others.
Facebook is also allowing for onsite consumption of news content and has established partnerships with large media partners for those features, as well.
Noch einmal die Schlussfolgerung von Frank Rieger:
der Facebook-Konzern, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dass seine Nutzer möglichst nirgendwo anders mehr hingehen sollen, weil es ja eigentlich alles, was man braucht, schon in Facebook gibt.
Facebook wird attraktiver durch das automatische Sharing, gleichzeitig werden aber auch die Angebote von Spotify bis Hulu dadurch attraktiver; sonst würden sie nicht mitmachen. Und natürlich bleiben die Angebote von Spotify bis Netflix eigenständige Produkte.
Hinzugekommen ist eine Vernetzungsmöglichkeit mit dem größten Social Network der Welt, das das größte Social Network der Welt wurde, weil es früh (2007, als erster) angefangen hat, eine Plattform aufzubauen.
Nico Lumma hat die Unterscheidung zwischen den tatsächlich entstehenden Plattformen und ihren Ökosystemen und dem falschen, aber immer wieder verbreiteten Bild eines zweiten AOLs oder eines All-in-one-Portals in einer Replik zu einem Facebook-Artikel auf sueddeutsche.de zusammengefasst:
Ultimativ sieht er [der SZ-Autor] Facebook in seinen Bestrebungen, global alle Nutzer und ihre sozialen Interaktionen einfachen zu wollen, zum Scheitern verdammt. Das kann man so sehen, oder einfach den Ökosystem-Gedanken verfolgen und sehen, daß Facebook und Google mit den geschaffenen Strukturen sehr viele Möglichkeiten zur Entfaltung bieten können. Ich tue mich auf schwer damit, von Monokulturen zu sprechen, eher von konkurrierenden Ökosystemen, die ihrerseits unterschiedliche Ausprägungen von Vielfalt zulassen, aber eben keine Monokultur darstellen.
Noch einmal Frank Rieger zum Abschluss:
Für diese aggressiv vorangetriebene Strategie, die Nutzer zum längeren Verweilen zu bewegen, gibt es handfeste wirtschaftliche Gründe. Facebook ist mitnichten ein „soziales Netzwerk“. Es ist ein Unternehmen, das eine Dienstleistung verkauft: gezielte, perfekt zugeschnittene Werbung. Der Börsenwert des Unternehmens wird folglich anhand der Anzahl, Verweildauer und Nutzungsintensität seiner Mitglieder errechnet. Jede Minute, die ein Nutzer nicht auf Facebook ist, wird als Verlust angesehen.
Natürlich ist Facebook ein Social Network. Und natürlich verdient Facebook mit Werbung (und Facebook Credits) sein Geld.
Und natürlich schrieb Frank Rieger, Sprecher des latent wirtschaftsfeindlichen CCC, seinen Text nicht für eine „Pressepublikation“ sondern für die FAZ, ein Unternehmen, das eine Dienstleistung verkauft: gezielte, perfekt zugeschnittene Werbung.
Ben says
Der Artikel liest sich ein bisschen wie ein zu kurz gedachtes Anti-statement eines Teenagers a là „die Meinung die jetzt alle vertreten ist falsch“. Denn auch wenn die Dienste alle nicht Facebook sind, fb integriert sie alle, was die Leute an Facebook bindet, genau weil es da eben alles gibt. Die Ärzte usw. gehörten im Stasi Bild ja auch nicht alle zum selben Verein. Man könnte dem Artikel also hinzufügen:
Und auch wenn das als Vorstufe zum Denken der anderen Beiträge alles stimmt, bleibt facebook stark zentralisierte Nutzerausbeutung.
Jürgen Messing says
Wer unter Stasimethoden ernsthaft leiden musste, dem muss die Galle bei diesem törichten Vergleich hochkommen. Die Rücksichtslosigkeit derer, die solche Vergleiche unbedacht anstellen, kann man nicht in Worte fassen. Ihr werdet alle morgen von Facebook verhaftet und gefoltert.
Armin says
So wie das verstanden habe sollen so einige der 3rd party apps (z.B die der Zeitungen, vermutlich auch die Music wenn man mit einem Freund zusammen etwas hoert) innerhalb von Facebook laufen. Demzufolge nutzt das Facebook Mitglied zwar das Angebot eines dritten, tut dies aber innerhalb Facebooks. Dann stimmt das ganze doch?
Andreas Goeldi says
Mit Verlaub: Wenn Du alt genug wärst, um AOL jemals tatsächlich benutzt zu haben, wüsstest Du, dass das Quatsch ist.
Schon mal iTunes gesehen? Da kann man sich statt mit Apple-ID auch mit einem AOL-Account einloggen. Das ist ein Überbleibsel aus der Zeit, als AOL gezielt seine Accounts als universellen Login gepusht hat. Nichts anderes als Facebook Connect. Ähnliche Strategien hat auch Microsoft verfolgt. Zugegeben, Facebook ist damit erfolgreicher, aber konzeptionell ist das nun wirklich kein Unterschied.
Und „Plattform“ bzw. „Ökosystem“? AOL wollte schon immer Content-Anbieter dazu kriegen, ihre Angebote für den Walled Garden von AOL spezifisch aufzubereiten. Und in den 90er Jahren war das auch ziemlich erfolgreich. Viele Anbieter hatten zwar eine Website, aber die wirklich interessanten und interaktiven Varianten ihres Contents waren auf AOL. Mit der Zeit hat sich AOL schrittweise geöffnet, erst mit einem technischen Schwenk auf Webtechnologien (genau wie Facebook jetzt sich auch langsam abwendet von seinen proprietären Plattformtechnologien), später mit einer zunehmenden Öffung der Inhalte.
Objektiv sind diese Strategien, abgesehen natürlich von einer Anpassung auf die gegenwärtigen Realitäten, so gut wie identisch.
Marcel Weiss says
Ja und nein. Apps können 'innerhalb' von Facebook laufen. Das ist aber dann nur wenig mehr als ein Unterschied der Oberfläche. Die Integration ist dann etwas tiefer, ja. Dröselt man es auf (Die App läuft tzotzdem auf dem eigenen Server etc.) wird es wieder komplexer.
Der FAZ-Artikel bschäftigte sich mit den Neuerungen, die letzte Woche bekanntgegeben worden. Die sind für Apps/Websites, die nicht auf Facebook laufen sondern unter eigener Domain etc. fungieren.
Marcel Weiss says
Das heißt jedes erfolgreiche Webunternehmen, das irgendwann anfängt, an andere Dienste anzudocken oder sie bei sich andocken zu lassen, verfolgt 'objektiv' die identische Strategie wie AOL? Ich bitte dich.
Du hast schon immer Facebook und seinen (natürlich in deinen Augen viel zu jungen) CEO unterschätzt in meinen Augen. Ich finde, das machst du hier wieder.
Till E. says
Wenn alles auf einer Plattform stattfindet ist es schlicht zentralisiert, auch wenn die Dienstleister andere Unternehmen sind. Die User verbinden Facebook mit der Erfahrung und nur wenige werden direkt auf die Webseite des Anbieters gehen.
Durch die Marktmacht kann Facebook (nicht uneingeschränkt) zudem diktieren wie die die Zusammenarbeit aussieht und Filtern, s. Apple vs Verlage.
Ich persönlich finde Facebook ist nicht so „gefährlich“ wir es immer dargestellt wird, es ist einfach ein cleveres Unternehmen welches aktuell sehr erfolgreich ist und –
Man muss nicht mitmachen!
„Das ist so falsch, dass es falscher nicht sein könnte.“… trifft deshalb nicht zu. Auch wenn Facebook nicht der „Böse“ ist, da gibt es Schlimmeres.
—
http://goo.gl/QY8fU
Marcel Weiss says
Der Satz bezog sich auf die Aussage, dass Facebook alles selbst machen würde. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Ben says
Und ob es das tut oder nicht ist total egal. Zentralisiert bleibt es so oder so, da fb ein bisschen mehr tut als bloß content bereitzustellen. Es integriert den content.
Andreas Goeldi says
Ich hab nur schon viele überhypte Firmen kommen und gehen sehen. Remember Ebay? Das sollte angeblich mal die Weltwirtschaft komplett revolutionieren. AOL? War praktisch das Internet für ein paar Jahre. Yahoo? Wurde mal gesehen als der für immer dominierende Einstiegspunkt ins Web, gleich nachdem AOL in den Sinkflug ging. Und so weiter.
Ja, Facebook macht vieles richtig. Aber es ist auf dem besten Weg, in die klassische Falle zu tappen, die all diesen überhypten Firmen zum Verhängis wurden: Grössenwahn.
Marcel Weiss says
Die Links zu meinen Blogs, die da reinlaufen oder via Like-Button von anderen geteilt werden, werden dort nicht integriert. Was genau meinst Du?
Marcel Weiss says
Weil eBay und Yahoo! nicht mehr so schön glänzen, muss auch Facebook untergehen? Das reicht mir nicht als Argument. Es ist durchaus denkbar, aktueller Hype hin oder her, dass auch im Web Unternehmen entstehen können, die länger als ein Jahrzehnt funktionieren. Neben Google und Amazon zähle ich Facebook hier ganz klar zu den Kandidaten für lang anhaltenden Erfolg.
Was sind denn Zeichen für einen möglichen Rückgang von Facebook? Was wären denn glaubhafte Szenarien? Nicht nur Martin sondern sicher auch die gesamte Leserschaft von netzwertig würde sich darüber freuen, mal wieder einen Artikel von Dir dort lesen zu können.
Mich würde das auch interessieren, auch wenn dein trackrecord bei Facebook-Analysen bisher nicht so gut war. (Weißt du noch? Social Networks können mit Werbung nix verdienen, weil sie im Grunde wie Email sind? Oder deine Artikel darüber, dass der junge Zuckerberg endlich gehen muss, weil aus FB sonst nichts mehr wird? Good ol' times.)
Armin says
Wie ich gerade gelesen habe ist zumindest Spotify inzwischen nicht mehr so eigenstaendig: Zumindest fuer neue Accounts ist ein Facebook account notwendig. Ohne Facebook account laesst sich kein Spotify account mehr eroeffnen.
Wuerde mich nicht wundern wenn andere dem Beispiel bald folgen werden.
Marcel Weiss says
Ja, steht ihnen ja frei. Offensichtlich überwiegen die Vorteile.
Ben says
Naja, auf Facebook finde ich ja nicht nur alles was es da gibt wenn ich es suche. Facebook arbeitet mit seinen Daten, mit den spielen, mit den ganzen neuen Features. Die werden in einer Art und Weise verbunden und genutzt, die über simple Bereitstellung hinausgehen. Und da Facebook somit einen nicht riesigen Teil der Dinge die auf Facebook passieren selber übernimmt, mal ganz abgesehen davon dass sie ohnehin auf Facebook geschehen, ist Facebook absolut zentralisiert und vereint das alles.
Wenn Facebook mir etwas nicht erlaubt, gibt es keinen anderen Weg. Im Internet generell, DER dezentralen Struktur unserer Zeit, kann ich immer einen anderen Weg gehen wenn jemand versucht mir einen zu versperren.
Kurz: Mark kontrolliert Facebook, aber keiner kontrolliert das Netz. Insofern hat Facebook eine zentralisiert aufgebaute Struktur.
Andreas Goeldi says
Die Diskussion führe ich gerne wieder ausführlich, sobald greifbare Finanzdaten vorliegen.
Facebook soll ja angeblich $4 Mia. Umsatz machen dieses Jahr. Aber niemand ausserhalb des Unternehmens hat jemals revidierte Finanzberichte gesehen. Wie wir gerade bei Groupon gelernt haben, liegt zwischen den gerüchtehalber rumgebotenen Umsatzzahlen (2 Mia., yay!) und der Wirklichkeit (uhm, inzwischen wohl doch nur $688 Mio.) oft ein riesiger Unterschied.
Aber selbst wenn Facebook $4 Mia. Umsatz hätte: Die Firma beherrscht, wie Du ja selber immer gern hervorhebst, aktuell das Benutzerverhalten im Web sehr weitgehend. Niemand kann auch nur annähernd diese Zahl an intensiven Usern vorweisen.
Sind da $4 Mia (was ja wirklich eine schöne Zahl ist) viel… oder nicht so viel? Selbst das angeschlagene Yahoo macht $6 Mia. Umsatz. Ebay, von dem niemand mehr spricht, liegt bei über 9 Mia. Und der nächste Vergleichswert, Google, mit etwa ähnlich vielen Nutzern und einem vergleichbaren Geschäftsmodell? Nähert sich den $30 Mia.
Mit anderen Worten, Google holt aus seinen Usern etwa 7.5x so viel raus wie Facebook. Klar, Facebook ist noch vergleichsweise jung, aber es hinkt im Umsatzwachstum schon jetzt Google selbst gemessen am Firmenalter weit hinterher.
Facebook hat ausserdem schon $2.3 Milliarden Kapital gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen. Google hatte selbst nach dem IPO noch nicht mal die Hälfte reingeholt, und das Geld wurde noch nicht mal gebraucht.
Klar, Facebook ist eine beeindruckende Firma. Aber es auf die gleiche Stufe wie Google oder Amazon stellen zu wollen, ist bis auf weiteres nicht mal andeutungsweise gerechtfertigt. Facebook hat bis heute kein Geschäftsmodell gefunden, das mit den erfolgreichsten Internetunternehmen vergleichbar wäre.
Max Winde says
Natürlich ist Facebook ein geschlossenes System. Zwar mag es viele Schnittstellen geben, mit denen man Daten in Facebook hinein bekommt, es gibt aber keine, mit der man von außen sinnvoll auf diese Daten zugreifen kann.
Die Tatsache, dass man Spotify (immerhin ein nicht ganz billiger Bezahldienst) in Zukunft nicht mehr nutzbar ist, wenn man seine Hörgewohnheiten nicht an Facebook weiterreichen möchte, finde ich schon ziemlich bedenklich.
Mimi says
Diese Entgegnung auf den FAZ-Artikel kommt über ihre schale Aussage „Das ist so falsch, dass es falscher nicht sein könnte.“ nicht recht hinaus.
Wo sind die Argumente statt der reichlich inflationär gebrauchten Behauptung, dass genau „das Gegenteil der Fall“ sei?
Marcel Weiss says
„Natürlich ist Facebook ein geschlossenes System. Zwar mag es viele Schnittstellen geben, mit denen man Daten in Facebook hinein bekommt, es gibt aber keine, mit der man von außen sinnvoll auf diese Daten zugreifen kann.“
Das stimmt nicht. Ich schreibe da mal noch etwas separates dazu.
(Zur Spotify-Integration: Man braucht einen Facebook-Account für Spotify. Aber man muss seine Songs nicht an FB weiterscrobbeln.)
Wsbchk says
Was fuer Vorteile sollen das denn bitte sein?
Xyz says
Marcel, deine Artikel waren auch schonmal besser..