Im Mai letzten Jahres hatte ich Sonar.me vorgestellt. Eine App, die auf die Social-Graph-Daten von Facebook, Twitter und Foursquare und die Checkin-Daten von Foursquare setzt, um Kontext zu Personen im näheren Umfeld zu liefern.
Jetzt kommen die ersten mobilen Apps, die die Möglichkeiten auf sehr spannende neue Arten nutzen, im Hintergrund die Verortung des Mobiltelefons vorzunehmen und Menschen auf Basis der Social-Graph-Daten von Facebook aufeinander hinzuweisen.
Die neuen Apps heißen Highlight (iPhone) und Glancee (iPhone, Android). Sie zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie nicht nur die Beziehungen von Facebook nehmen und etwa mitteilen, dass ein Freund oder der Freund eines Freundes in der Nähe ist (Sonar.me arbeitet so). Sie nutzen auch die Like-Daten, um auf Personen mit gleichen Interessen hinzuweisen.
Ein perfektes Beispiel, welche neuen Dinge an der Schnittstelle zwischen Mobile Web und Social Web möglich werden.
So ist es etwa möglich, dass man über diese Apps fremde Personen kennenlernt, die einen gleichen Musik- oder Literaturgeschmack haben. Oder man lernt jemanden aus der eigenen Branche kennen, mit dem man mehr als den Beruf gemeinsam hat. usw. usf.
In diesem TechCrunch-Artikel findet man viele weitere Einsatzzwecke, die das Potential dieser Dienste deutlich machen dürften.
Möglich wird das alles nicht zuletzt, weil Facebook nicht nur ein immens großes Social Network ist, sondern auch, weil es den Zugriff auf diese Like-Daten über APIs erlaubt.
Eric Eldon erklärt auf TechCrunch, warum Highlight ein (sorry, da müssen wir jetzt durch) echtes Highlight werden kann:
Instead of the normal business card swapping that happens at the event, it’s sounding like Highlight is going to get some sort of feature for marking and saving the favorite people you meet in person. Thinking through the New York coffee shop scenario, imagine seeing a notification that says “You met Robert Scoble at the Trendy Startup BBQ party in Austin. Now he’s two blocks away at a bagel place. Go say hi!” Instead of just using mutual friends and Liked Facebook pages to determine relevancy, Highlight is getting a new layer of behavior data.
Now indulge a little bit of speculation about where all this could go (I don’t know Highlight’s specific plans). You can also imagine the app adding features like an auto-created group or list of “Friends From Austin.” A few weeks after the conference, what if you could see a list of all of these people and message them through Highlight to reconnect. And because Highlight uses Facebook data, it could also tap into the social network to allow users to share the phone numbers, email addresses and other contact info they already have stored. I would love a feature that said “Robert Scoble is sharing his contact info, click here to download it to your address book.”
And boom, business cards would be dead. Forget stuffing your pockets full of cardboard at a party, going back home, throwing them on your hotel room dresser as you pass out, and forgetting them when you have to rush out the next morning to catch your flight. You’d just mark the people you want to stay connected to right when you meet them, and then at your convenience connect with them later.
Das wäre tatsächlich das erste Anzeichen für ein mögliches Ende der Visitenkarte. Aber es geht natürlich weit darüber hinaus: Hier entsteht eine neue Art Social Network, die neue Interaktionsarten mitbringt und neue Möglichkeiten des Kennenlernens und Vertiefens von Beziehungen ermöglicht.
Nicht minder besonders daran ist, dass der einzelne Nutzer fast keinen Zusatzaufwand betreiben muss, um diese Apps zu nutzen. Das ist ein Zeichen unserer Zeit: Auf Facebook liegt bereits unsere Indentität bereit.
Wir als User können die Früchte unserer ‚Arbeit‘, die wir auf Facebook erbracht haben – mit Freunden vernetzen, Pages folgen, die uns interessieren, Like klicken, wenn uns etwas gefällt – einfach an die Apps weiterleiten.
App installieren. Push-Nachrichten und Ortsdienste freigeben.
Mit Facebook verknüpfen.
Fertig.
Die Facebook-Daten und die App machen den Rest.
Das ist besonders wichtig, was die potentielle Verbreitung solcher Apps angeht: Die Zeichen stehen ausgesprochen gut.
Oder: Zumindest so gut wie es überhaupt möglich ist. Denn Apps, die nur nützlich sind, wenn andere Menschen in der Umgebung sie auch nutzen, haben es schwer, eine kritische Masse zu erreichen. Deshalb müssen die übrigen Barrieren möglichst entfernt werden. Egal zu welchen Kosten.
Im Vergleich zu Highlight und Glancee muss man beim unsinnigen Hashable* etwa per Hand permanent Einträge vornehmen, nur um am Ende eine Kontaktdatenbank zu erhalten. Die Ansätze könnten unterschiedlicher nicht sein:
Highlight übernimmt das Festhalten der getroffenen Personen im Hintergrund. Ein Hinzufügen von Kontakten kann später stattfinden, nicht vollkommen unsozial während man noch auf der Cocktailparty steht und es schnell machen muss, weil man es sonst vergisst.
Im Gegensatz zu Glancee, das in der App nur temporäres Ausschalten des Locationstrackings erlaubt (eine Stunde oder über Nacht), ermöglicht Highlight das Deaktivieren für unbestimmte Zeit. Letzteres dürfte die Mehrzahl der Nutzer eher zusagen.
Robert Scoble hat auf The Next Web Highlight und Glancee gegenübergestellt.
Meine Prognose: Von diesen Diensten werden wir in der nächsten Zeit noch viel hören.
Highlight scheint mir ein Stück bessser ausgearbeitet zu sein als Glancee, das im Gegenzug etwas aufpolierter erscheint. Das gleiche Bauchgefühl hatte ich von Anfang an bei Foursquare (vs. Gowalla).
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Die Älteren unter uns werden sicher in der Zwischenzeit Folgendes gedacht haben: aka-aki.
Das Berliner Startup aka-aki ist vor einigen Jahren angetreten, das Kennenlernen interessanter Menschen einfacher zu machen, indem die App andere Nutzer anzeigt, die sich in der Nähe befinden. Angefangen hatte der Dienst, bevor GPS in Smartphones Einzug gehalten hat, Die App musste offen gelassen werden und wollte andere Kontakte über Bluetooth finden. Ein asusgesprochen unattraktives Angebot. Mittlerweile nutzt aka-aki auch die integrierten Ortsdienste bei iPhone und Android. Aka-aki bietet auch die Möglichkeit, über „Sticker“ eigene Interessen anzugeben und gleicht die Interessen mit denen der anderen Nutzer ab.
Aber: weder werden die Interessen von Facebook importiert, noch werden die Beziehungen auf Facebook oder anderen Social Networks einbezogen. So bleibt aka-aki bedeutungslos, für die meisten potentiellen User von vorn herein komplett nutzlos, und wird von der sehr viel jüngeren Konkurrenten aus den USA mühelos in der Nutzerschaft überholt werden.
Bemerkenswert, dass man bei aka-aki anscheinend nicht gemerkt hat, dass das eigene Grundkonzept auf einmal viel besser über die Anknüpfung an Facebook umsetzbar geworden ist. Die auf der Hand liegenden Vorteile habe ich oben beschrieben.
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*Eine der größeren Webtragödien des letzten Jahres war die Abschaltung des fantastischen Wirtschaftsnachrichtenaggregators Tracked.com, der zugleich auch eine unerschöpfliche Datenbank zu nicht börsennotierten Unternehmen war, zugunsten von Hashable, weil letzteres kurzzeitig ein wenig Interesse bei Twitter-Junkies hervorrief und die Macher sich darauf konzentrieren wollten.
Christian Leu says
Also ich finde die Konzepte sehr interessant. Bleibt aber bei einer App der Zugriff auf die Positionsdaten permanent bestehen, dann kann ich noch mit einem halben Tag Akku rechnen. D.h. die App wird sofort wieder geschlossen und entfernt. Wie ich in http://leumund.ch/war-friendzone-von-swisscom-zehn-jahre-zu-fruh-0011277“ rel=“nofollow“>einem Blogbeitrag bei mir mal geschrieben habe, wäre es natürlich sinnvoll, wenn die Mobilfunkanbieter über die Zellenortung einem solchen Diensteanbieter jeweils die Positionsinformationen weitergeben würde. Dies wäre dann unabhängig vom Endgerät und nachdem eine Pushnachricht gesendet würde, könnte beim öffnen der App die Position genau bestimmt werden.
Sascha A. Carlin says
Von wegen „die Älteren“: Das ist wie mit Fashion: Irgendwann kommt alles wieder :-)
Digitales Ich says
Macht iOS so was nicht schon? Ich bilde mir ein mich zu erinnern, dass eine App auch sagen kann sie möchte gar nicht die 100%ige Location sondern nur eine ungefähre über die Cell-ID
Digitales Ich says
Highlight funktioniert leider wieder nur im Oberholz und an 3 anderen Orten in Berlin.
Das man die App einfach nur installiert und dann läuft sie im Hintergrund ist zwar schön einfach aber wo ist der Anreiz sie zu installieren außer die Hoffnung, dass sie dann irgendwann funktioniert, weil die kritische Masse erreicht wurde? Da finde ich den Foursquare Ansatz etwas besser um schneller an Verbreitung zu gewinnen. Durch den Spielaspekt macht die App schon zu zweit Spaß.
Leander Wattig says
Zum TechCrunch-Ausschnitt: Beim ewigen Totsagen der Visitenkarte wird oft vergessen, dass sie nicht nur dem Austausch von Kontaktdaten dient, sondern auch ein Kommunikationsmittel darstellt. Das geht ja bis dahin, dass man interessiert darauf schauen sollte, um nicht unhöflich zu wirken, wenn bspw. ein Entscheider einen durch die Übergabe ehrt. Die Japaner verneigen sich ja sogar. Apps, die die Visitenkarte ersetzen wollen, müssen auch diese Art der Kommunikation adäquat ersetzen.
Apropos: http://youtu.be/d-_QLFjlzxY
Marcel Weiss says
Stimmt. Guter Punkt.