Sebastian von Bomhard mit einer guten Analogie zur Frage, inwiefern Plattformprovider für von ihren Usern bereitgestellte Inhalte haften sollen:
Endlich wurde Recht und Gesetz zum Durchbruch verholfen. Schon lange waren sie uns ein Dorn im Auge, die fies-gelbroten Packstationen der DHL Worldnet, vulgo Post. Dort wurden zwar auch regulär Päckchen abgegeben, aber schon lange war klar, daß dieser Dienst sehr gerne von Betrügern genutzt wurde, die dort mit gestohlenen Identitäten ihren krummen Machenschaften nachgehen konnten. Unerträglich die Tatsache, daß sich die Post an solchen Leuten bereichert.
Da die Post diesen Missbrauch nicht wirkungsvoll verhindern konnte, wurde ihr nun das Handwerk gelegt. Es half nichts, daß die Post beteuerte, daß ihre Dienste von vielen Menschen völlig legal genutzt würden und daß diese Menschen Packstationen äußerst praktisch fänden. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat geurteilt, daß es nicht genüge, wenn man bei Bekanntwerden einzelner Vorfälle jeweils einschreite, nein, die Packstationen müssen selbst aktiv werden und alle Pakete aufmachen und reinschauen. Sollte es sich um illegale Machenschaften handeln, müsste die Post die Pakete von sich aus vernichten. Tun sie dies nicht, haften sie.
Das Problem ist recht einfach umschreibbar:
1. Anbieter stellen Infrastruktur (Plattformen) zur Verfügung.
2. Nutzer können auf diesen Angeboten legales und illegales machen.
3. Anbieter können die illegalen Aktivitäten nur vollständig ausmerzen, wenn sie die legalen Aktivitäten stark beschneiden, notfalls bis hin zur kompletten Abschaltung, und alle Formen von Aktivitäten auf ihren Plattformen überwachen und auswerten.
Die Post kann nicht verhindern, dass mit ihr Diebesgut verschickt wird, solang sie nicht immer die Inhalte der Pakete kontrolliert. Sie kann auch nicht verhindern, dass Angebote wie Packstationen sich durch ihre Vorteile auch für illegale Machenschaften eignen.
Daraus würde aber niemand ableiten, dass das Postgeheimnis der Vergangenheit angehören sollte oder Packstationen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.
Auf der anderen Seite werden die Angebote und Netzwerke von den Nutzern (den Ex-Kunden) dazu genutzt, komplette Industrien auszuhebeln, weil sie den mit der Bezahlung verbundenen Bestandteil des etablierten Geschäftsmodells, die Distribution, selbst übernehmen.
Also: Auf Bezahlung nach Distribution setzende Geschäftsmodelle oder das Postgeheimnis erhalten?
Entscheiden Sie sich jetzt.
drikkes says
Randbemerkung: Ich finde es schon ein wenig erstaunlich, wie diejenigen, die am lautesten „Das Internet ändert alles!“ rufen, auf (haha:) prädigitale Analogien abfahren, seien es Hinweise darauf, wie die Postkutschenlobby Anfang des 20. Jahrhunderts dem Siegeszug des Automobils versucht hat, Steine in den Weg zu legen oder genüßlich ärztliche Gutachten aus dem Jahre 1850 zitiert, wie gefährlich doch das schnelle Reisen mit der Eisenbahn für den menschlichen Organismus wäre.
Marcel Weiss says
Abstrakte Sachverhalte lassen sich nur schwer anders vermitteln. Zumindest ich stütze mich nicht allein auf Analogien, sondern verwende sie nur, um bereits gemachte Argumente besser zu veranschaulichen und zu unterstreichen.
Ich verstehe deinen Punkt, aber es geht diskurstechnisch leider nicht anders.
Davon abgesehen: Das Internet ist die Grundlage für viele Disruptionen. Es ändert also ganze Wirtschaftszweige und gesellschaftliche Bereiche. Es ändert aber nicht den disruptiven Prozess selbst. Analogien sind also durchaus für die Veranschaulichung von Prozessen angebracht. Und wenn nur als Diskursanknüpfungspunkte.
In dem konkreten Fall hier erlaubt die Analogie eine Erklärung, wie man Plattformproviderhaftung einordnen kann. Wie soll man das sonst, sagen wir, einem nicht mit dem Netz vertrauten Politiker verständlich machen?
drikkes says
Das kann im Umkehrschluß allerdings auch Begehrlichkeiten nach Ausweitung der Kontrollversuche wecken. Wenn der „nicht mit dem Netz vertraute Politiker“ darauf verweisen würde, daß es diese Paketkontrollen in bestimmten Bereichen schon gibt. Diese riesigen Container-Röntgenapparate in Häfen zum Beispiel, oder die Gepäckkontrolle an jedem Flughafen.
Am Ende reduziert sich dann Vieles auf die technische Machbarkeit. Und das sollte ja nie ein Argument sein.
david gitarre says
Der Vergleich mit der Post hinkt doch vollkommen. Filehoster versenden doch nichts. Wenn schon eine Analogie, dann bitte mit aehnlichen Parametern. Z.B. ein Bahnhofsschliessfach, dessen Schluessel man mehrfach verteilt, und wer will kann sich dort aus z.B. Hehlerware bedienen. Der zu beobachtenede ergoehte Verkehr an diesem Fach koennte den Hoster dazu verleiten, Stichprobenartig die „Warez“ unter die Lupe zu nehmen. Nix anderes wird velangt.