Es war durchaus ein kleiner Schock für manche, als Bosch letzte Woche bekannt gab, aus der Batteriezellenforschung und -produktion auszusteigen. heise online:
Zu teuer, zu riskant: Der Autozulieferer Bosch wird auch künftig keine Batteriezellen selbst produzieren. Der Konzern habe aus wirtschaftlichen Gründen entschieden, auf den Aufbau einer eigenen Zellfertigung für Elektroauto-Batterien zu verzichten und auch aus der Forschung dazu weitgehend auszusteigen, sagte der für die Mobilitätssparte zuständige Geschäftsführer Rolf Bulander. „Bosch wird auch in Zukunft Zellen zukaufen.“ Auch an möglichen künftigen Konsortien europäischer Unternehmen werde Bosch sich nicht beteiligen.
Stattdessen will sich der Konzern auf zentrale Komponenten elektrischer Antriebe wie Motor, Leistungselektronik und komplette Batteriesysteme konzentrieren. “
Warum es wichtig ist: Elektromobilität, Sharing-Modelle und selbstfahrende Autos krempeln den Automobilsektor komplett um. Es gibt ein frenetisches, globales Rennen um die Marktanteile von morgen, bei denen Zulieferer, alte und neue Automobilhersteller, Tech-Unternehmen und Risikokapitalgeber Milliarden über Milliarden in den Markt investieren. Es ist jetzt extrem wichtig, sich nicht zu verzetteln und an den richtigen Stellen Ressourcen einzusetzen. Dazu gehört auch zu wissen, worauf man verzichten sollte.
Zunächst: Bosch zieht sich aus der Batteriezellenproduktion zurück; was nicht Batterieproduktion bedeutet. Bosch wird weiterhin Batterien produzieren, wie unter anderem René Ziegler, Head of Corporate Media & PR bei Bosch, auf Twitter klarstellte.
Warum war es ein Schock für manche Beobachter? Der Gedankengang dahinter geht grob so:
- Elektromobilität gehört die Zukunft.
- Zentraler Teil des E-Antriebs ist die Batterie.
- Ergo: Die Batterie ist extrem wichtig.
(1) und (2) sind selbsterklärend, und für alle, die nicht an Verbrennungsnostalgie leiden, zweifelsfrei richtig. Aus diesen 2 Punkten folgt allerdings nicht automatisch (3).
Oder anders: Die Batterie ist technologisch wichtig für den E-Antrieb. Aber sie ist deswegen nicht automatisch strategisch wichtig für jedes Unternehmen in der Branche. Im Gegenteil: Es sieht aktuell nicht danach aus, als würde eine eigene Batterieproduktion (dank Skaleneffekten in der Produktion etwa) zu massgeblichen Vorteilen für die Produktion von E-Automobilen verhelfen. Im Smartphonemarkt beispielsweise spielt der Hersteller der Batterien ebenfalls keine Rolle. Batterien sind heute austauschbar und werden es voraussichtlich auch bleiben. Wenn lediglich der Preis (oder sprich: die Effizienz der Produktion und der Technologie des Produkts) über Erfolg und Verderb entscheidet, gewinnt derjenige, der als erster die größte Massenfertigung aufbauen kann.
Gewinnen ist in so einem Markt auch relativ: Die Gewinnmarge ist niedrig, wenn das Produkt austauschbar ist und lediglich Effizienz in der Produktion und der dadurch mögliche Preis über Gedeih und Verderb entscheiden. Aber mehr noch: Einem Bosch würde die Marktführerschaft auf so einem Markt nicht zwingend bei anderen Transportprodukten helfen.
Schauen wir uns deshalb einmal die internationale Entwicklung für Automobilbatterien an. Neben Teslas ‚Gigafactory‘ ist besonders China dabei, massiv in Batterieproduktion zu investieren. (Wenig verwunderlich. China ist bereits und wird auf absehbare Zeit der größte Absatzmarkt für E-Mobile jeder Art sein.)
Siehe hierzu etwa den Börsengang von CATL. Electrek:
Contemporary Amperex Technology (CATL), China’s largest automotive battery maker, has been making strides in the past few years thanks to the country’s rapid deployment of electric vehicles.
The company is now reportedly aiming to become the world’s largest automotive battery maker with a new factory financed by an initial public offering (IPO) valued at $2 billion.
CATL’s new factory could also be considered a “gigafactory” since they plan to produce 24 GWh of batteries at the factory by 2020, which would add to their current 17.5 GWh of capacity and make them the biggest li-ion battery producers in the world, according to Bloomberg
Bloomberg letztes Jahr über China und die Batterieherstellung:
Chinese companies have plans for additional factories with the capacity to pump out more than 120 gigawatt-hours a year by 2021, according to a report published this week by Bloomberg Intelligence. That’s enough to supply batteries for around 1.5 million Tesla Model S vehicles or 13.7 million Toyota Prius Plug-in Hybrids per year, according to Bloomberg New Energy Finance.
By comparison, when completed in 2018, Tesla Inc.’s Gigafactory will crank out up to 35 gigawatt-hours of battery cells annually. […]
Roughly 55 percent of global lithium-ion battery production is already based in China, compared with 10 percent in the U.S. By 2021, China’s share is forecast to grow to 65 percent, according to Bloomberg New Energy Finance.
In all, global battery-making capacity is forecast to more than double by 2021 to 273 gigawatt-hours, up from about 103 gigawatt-hours today. That’s a huge opportunity, and China doesn’t want to miss it.
Bosch tut gut daran, sich genau zu überlegen, was das Unternehmen auf diesem Markt gegen die chinesische Offensive gewinnen kann und was nicht.
Der Ausstieg bei den Batteriezellen ist ein richiger Schritt. Der Eintritt beim Here-Kartenkonsortium ist ebenfalls ein richtiger Schritt.
Kartenmaterial ist für autonome Fahrsysteme essentiell. Und im Gegensatz zu Batterien ist es nicht einfach austauschbar.
Golem.de über die Umstrukturierung bei Bosch:
Der Automobilzulieferer Bosch lagert seine Produkte und Dienstleistungen für vernetztes Fahren in einen neuen Geschäftsbereich aus. Der Bereich Connected Mobility Solutions werde eine neue Heimat für mehr als 20 Angebote aus der vernetzten Mobilität, sagte Bosch-Chef Volkmar Denner am Mittwoch auf der Firmenmesse Bosch Connected World in Berlin. Mehr als 600 Mitarbeiter sollen künftig die entsprechenden Angebote entwickeln und vertreiben. Dazu gehören bislang beispielsweise der E-Scooter-Verleih Coup in Berlin, Paris und Madrid sowie das sogenannte Community-based-Parking, das freie Parkplätze mit Hilfe von Autosensoren aufspürt.
Eine der spannenden Dinge, die Bosch macht, nennt das Unternehmen „e-axle“ oder Bosch electric axle drive.
Sie nennen es “The “start-up” powertrain for electric cars„:
The components are very flexible, which means the e-axle can be installed in hybrids and electric cars, compact cars, SUVs, and even light trucks – a huge market. […]
The start of mass production is planned for 2019. Bosch already has a flexible, globally applicable manufacturing concept for this component. The concept guarantees that each customer will get a customized solution that can be quickly integrated into its manufacturing operations.
Das ist genau das, womit sich ein Unternehmen wie Bosch beschäftigen sollte und nicht Batteriezellen.
Es wurde hier schon einmal angemerkt, aber es ist ein guter Anlass, die Aussage zu wiederholen: Von der gesamten hiesigen Automobilbranche zeichnet ausgerechnet der Zulieferer Bosch das spannendste Gesamtbild als Unternehmen.
Die Zukunft: Das bringt uns alles zum Anfang zurück. Bosch verabschiedet sich von Batteriezellen, aber nicht von der Batteriesystemproduktion. Warum eigentlich? Warum muss Bosch eigene Batteriesysteme produzieren? Sinn kann das nur für integrierte Systeme (Batterie+Antrieb) ergeben. Und selbst damit könnte es in ein paar Jahren vorbei sein. Nämlich dann, wenn die künftigen Foxconns für Batterien aller Art (welche Handvoll an Unternehmen das auch immer dann sein wird) alle Bedürfnisse für Hersteller wie Zulieferer schnell und kostengünstig abdecken. (Commodities rechnen sich nur in der Masse.)
Die Frage, ob das eintritt oder nicht, hängt massgeblich davon ab, welche Vorteile aus der Integration der Batteriesysteme gezogen werden können.
So oder so: Bosch ist zu dieser Entscheidung zu beglückwünschen. Es ist ausgesprochen schwer, als etabliertes Unternehmen eine solche Entscheidung zu treffen. Nachdem Geld investiert wurde (wenn auch im internationalen Vergleich nicht viel) und während der hiesige Konsens vielerorts noch ist, man braucht eine eigene Batterieproduktion, von Grund auf, um in der E-Mobilität zu bestehen.
Neben dem oben angesprochenen Missverständnis spielt noch etwas diesem Konsens zu: Die Arroganz der hiesigen Automobilhersteller. Der Verbrennungsmotor ist der Stolz der deutschen Branche. Zu recht: Er ist nicht nur eine Ingenieursmeisterleistung par excellence sondern auch eine effektive Markteintrittsbarriere. Wie könnte man aus dieser Position kommend dazu übergehen auf so einen zentralen Bestandteil wie die Batteriezelle bei E-Autos verzichten? Das ist doch, als würde man den kompletten Verbrennungsmotor zuliefern lassen! Undenkbar.
Aber das ist genau der Punkt: Was ist in der E-Mobilität künftig eine effektive Markteintrittsbarriere und was nicht?