Am Rande der Popkomm habe ich eine interessante Unterhaltung geführt. Mein Gesprächspartner berichtete von einer Paneldiskussion, in der ein Teilnehmer die unbeantwortete Frage in den Raum stellte, wie das Musikformat nach dem Album aussehen wird. Albumverkäufe sind eher rückläufig und und werden von Singles und Einzeltrackdownloads zunehmend abgelöst. Das ist wenig verwunderlich: Warum sollten die Musikfans noch starre Bündel an Musikstücken akzeptieren, oft mit 2 Killern und 8 Fillern? Im Käufermarkt Internet hat der Kunde die Macht. Dementsprechend fallen die lukrativen und deswegen für ihn oft weniger attraktiven Produktbündel auseinander. Was tritt an die Stelle des Albums?
Meine Antwort: Die Playlist. Irgendjemand stellt irgendwo eine Reihenfolge für das Abspielen von Songs auf. Und das oft nicht nur für sich allein: Spotify-Playlists werden bereits heute auf Sites wie sharemyplaylists.com unter Nutzern geteilt. Playlists ersetzen die Alben und die Mixtapes. Man kann sogar sagen, dass das Album eine Playlist ist, die vom Musiker vorgeschlagen wird. Ob On-Demand-Streaming-Dienst oder iPod: Diese Playlist lässt sich heutzutage leichter als in Vinyl-Zeiten abändern. Das gute alte Mixtape dagegen war, wenn wir bei unserer Playlistifizierung der Begriffe bleiben, die erste Playlist von Musikfans für Musikfans.Die heutige viel flexiblere Playlist ist der neue musikalische Kontext für Musikstücke.
Die Implikationen sind vielfältig. Labels können mit dem Erstellen von attraktiven Playlisten auf Webdiensten die Zugänglichkeit ihrer Musik erheblich erhöhen. Ein Dienst wie Spotify könnte aber auch, entsprechenden Erfolg vorausgesetzt, ein stärkeres Monopol aufbauen, als es iTunes jemals geschafft hat.
Längst gibt es deshalb bereits erste Versuche, den Musikkonsum rund um die Playlist neu und plattformagnostisch zu denken. Die unter Open Source veröffentlichte Musikplayersoftware Tomahawk (Review hier) arbeitet vor allem mit Playlists. Man kann Playlists von Webdiensten importieren oder neue Playlists erstellen, die dann mithilfe der eigenen Musiksammlung und der von Freunden abgespielt werden kann. Tomahawk führt lokal und Cloud zusammen, überbrückt Dienste, die den Nutzer bei sich einsperren wollen und hält das alles mit Hilfe der Playlist zusammen; und zeigt gleichzeitig damit zaghaft auf, wohin die Zukunft des Musikkonsums gehen kann.
Und das einzelne Musikstück? Das verliert auch an Bedeutung, während Remixe, Mashups und Coverversionen von Fans immer weiter zunehmen und die Anzahl der Variationen explodieren lassen. Die Musik selbst wird zunehmend fließend. Aber das ist ein Thema für eine andere Ausgabe.
Dieser Artikel ist leicht redigiert im Musikmarkt erschienen. Weitere Musikmarkt-Kolumnen findet man hier: