Mehr noch als Kik, Whatsapp, Facebook Messenger oder andere mobile Messaging-Apps ist das von Apple in iOS5 eingeführte iMessage ein Sargnagel für die SMS, die Cash Cow der Mobilfunkbetreiber. (Und für alle gilt: Sie sind es dank Push.)
Der Grund dafür ist so simpel wie effizient: iMessage ist keine gesonderte App, die man installieren muss und für die man sich dann aktiv entscheidet. iMessage ist Bestandteil der SMS-App des iPhones.
Wenn iMessage merkt, dass am anderen Ende der SMS-Kommunikation ebenfalls ein iPhone mit iMessage sitzt, switcht die App automatisch von SMS zu iMessage. Von einer Trennlinie unterstützt steht das Wort 'iMessage' im Kommunikationsverlauf und anschließend gesendete Nachrichten sind mit einer anderen Farbe unterlegt.
Die Nutzer müssen nichts machen und texten jetzt kostenlos über iMessage und Internetflat statt über SMS und teure Gebühren.
Die Folge ist klar: Nach und nach wird iMessage jede SMS-Kommunikation zwischen iPhone-Besitzern ersetzen. Jedes verkaufte iPhone bedeutet weniger SMS und damit geringere Gebühren für die Mobilfunkbetreiber.
Warum kommt Apple damit durch?
Marktmacht. Apple hätte so etwas theoretisch auch bei dem ersten iPhone einführen können. Aber damals hätten sie das Problem gehabt, dass die Mobilfunkbetreiber weltweit eher zurückhaltend bei der Aufnahme des iPhones in ihr Telefon-Portfolio gewesen wären. Oder, wahrscheinlicher: Sie hätten als Bedingung für die Aufnahme gefordert, dass diese Funktion entfernt wird. (Möglich sogar, dass genau das passiert ist.)
Jetzt aber, einige Jahre nach dem ersten iPhone, ist die iPhone-Reihe die erfolgreichste Produktreihe im Smartphone-Bereich. Kein Mobilfunkbetreiber mag es sich noch leisten, auf das iPhone freiwillig zu verzichten. Die Verhandlungsmacht von Apple ist um ein Vielfaches größer.
Gleichzeitig lässt Apple sich nicht reinreden, was das Produkt selbst angeht. Das iPhone bringt keine Bloatware des Netzbetreibers mit, es prangt kein Telekom- oder Vodafone-Logo auf Vorder- oder Rückseite des iPhones. Und mittlerweile kann Apple eben auch im Inneren des Telefons Dinge machen, gegen die die Netzbetreiber zwar etwas haben, an denen sie aber nichts ändern können.
Während die Netzbetreiber bei Blackberry und seinem Blackberry-Messenger sich noch einreden konnten, dass der Message-Dienst auf Firmenkunden mehr oder weniger beschränkt bleibt, greift iMessage direkt in den Konsumentenmarkt ein.
Auch interessant: Im Vergleich zu Apples iOS bleibt Android immer leichter angreifbar und damit tendenziell weniger disruptiv. Die Offenheit von Android stellt zum einen sicher, dass es immer Dutzende mehr oder weniger untereinander austauschbare Modelle von unterschiedlichen Herstellern gibt. Und in Verbund mit dieser Tatsache wirkt die Offenheit marktschwächend für die Telefonhersteller gegenüber den Netzbetreibern: Sie sind verzichtbarer, sie haben eine schlechtere Verhandlungsbasis. (Auch deshalb gibt es Bloatware und Netzbetreiberlogos auf Android-Geräten.)
Ein Android-Hersteller, der ein eigenes iMessage-Gegenstück in seine SMS-App implementieren will, hat schlechte Karten. Es wird immer einen anderen Android-Hersteller geben, der gegen entsprechende Vorzüge der Netzbetreiber auf diese oder andere Funktionen verzichtet. (stark verallgemeinert)
Jetzt kann zwar jeder Android-Nutzer sein Gerät rooten oder einfach eine der vielen meist kostenlosen Message-Apps installieren, aber dieser kleinste notwendige Schritt, der auf iOS wegfällt, bleibt. Das ist besonders problematisch: Weil man vorher mit Freunden und Bekannten kommunizieren muss, mit welcher App man jetzt die SMS ersetzen will. iMessage ist zwar vorerst auf Apple bzw. iOS beschränkt, aber innerhalb von iOS wird iMessage die SMS praktisch vollkommen verdrängen. (Man stelle sich ein iMessage vor, dass es erlaubt statt mit SMS über andere Protokolle mit Nicht-iOS-Geräten zu kommunizieren. Kik zum Beispiel ist bereits eine Plattform mit notwendiger Schnittstelle.)
Mit der Verbreitung von iOS5 und folgenden Versionen weiß dagegen jeder: Wer ein iPhone besitzt, hat auch iMessage. Und selbst das ist, wie bereits geschrieben, egal: Die SMS-Schreiber verwenden automatisch iMessage, sobald es möglich ist. Sie müssen nichts extra machen.
Was für ein frivoler Gedanke das für den einen oder anderen Netzaktivisten sein muss: Ausgerechnet Apple ist ausgerechnet aufgrund seiner Geschlossenheit disruptiver als das offenere Gegenstück Android, und zwar ausgerechnet weil hier die Offenheit zur Schwäche von Android wird.