Felix Schwenzel weist auf einen auf absurde 7 Unterseiten aufgeteilten Artikel über die "Kostenlos-Kultur" hin, den er für screen.tv geschrieben hat. Darin nimmt er einige Themen auf, die wir hier auch regelmäßig diskutieren:
Diejenigen, die jetzt lauthals über die angebliche „Kostenlos-Kultur” klagen, wissen natürlich ganz genau, dass „kostenlos” keinesfalls ein Internet- Phänomen ist, sondern ein bewährtes, Umsatz steigerndes Marketinginstrument. Ansonsten hätten sich die Manager der Musikindustrie sicher nicht jahrelang dafür eingesetzt, dass ihre Songs im Radio und ihre Videos im Musikfernsehen laufen. Und: Kostenlos ist nicht nur ein Geschäftsmodell, sondern tatsächlich auch eine „Kultur”. Kultur wächst und gedeiht durch (Mit-)teilen, Weitergeben, Empfehlen und dadurch, dass sie allen gleichermaßen zur Verfügung steht. Erst durch Mund-zu-Mund- Propaganda entsteht Popularität, die sich dann wiederum zu Geld machen lässt. Ohne jede „Empfehlungs-Kultur” ließen sich Musik, Filme oder Serien auf Dauer schwer verkaufen.
Felix Schwenzels Lösung für die wirtschaftlichen Probleme einiger Branchen mit der Digitalisierung:
Die Frage ist also nicht, ob Paid Content im Internetzeitalter Chancen hat, sondern wie man die Nachfrage zügig bedient und die Bezahlprozesse so einfach und schmerzfrei gestaltet, dass sie von den Konsumenten angenommen werden.
In der deutschen (Online-)Debatte über künftige Geschäftsmodelle für Presseverlage und Anbieter von Musik und Filmen wird oft die Lösung vorgebracht, die auch Felix Schwenzel bringt:
Eine legale, umfassende und attraktive Plattform, mit möglichst geringen Transaktionskosten für die Endnutzer. (Das ist auch Sascha Lobos Lösung für die Musikindustrie.)
Das klingt bereits schwierig (und unattraktiv) genug für die etablierten Akteure. Aber es wird noch schwieriger.
Unautorisiertes Filesharing und illegale Streaming-Angebote werden nicht verschwinden, wenn es eine legale Plattform gibt, die mit ihnen konkurriert. Es würde schwerer für sie, weil sie Konkurrenz hätten. Aber die legalen Anbieter haben dann auch etwas, das sie früher nicht hatten: Konkurrenz.
Urheberrecht und Copyright sind Rechte, die zeitlich begrenzte Verwertungsmonopole gewähren. Das heißt, wer ein Urheberrecht auf eine Fernseh-Serie hat, hat das Monopol über die Verbreitung selbiger. Wenn jetzt jemand diese Serie ausstrahlen oder ansehen will, muss er bei mir als Produzent eine Lizenz erwerben oder die Serie von mir auf DVD erwerben etc. Er muss immer zu mir kommen und kann nicht zu jemand anderem gehen.
Im Internet muss eine legale Plattform mit Filesharing und Streaming konkurrieren, die unautorisiert stattfinden. Abschalten lässt sich das niemals komplett, weil es eine Folge der Digitalisierung ist (verlustfreie Kopien + Vernetzung).
Wozu führt das?
Die Monopolrente, also das, was die Produzenten früher mit dem Ausstrahlen oder Verkaufen verdienen konnten, fällt stark ab auf das Niveau des Gewinns eines sich im Wettbewerb mit anderen Akteuren befindlichen Unternehmens.
Das heißt, ohne Monopol geringeres Einkommen über diese Wege. Warum?
- Einkünfte: Zum Beispiel kann Hulu nicht so viel Werbung zwischen den TV-Episoden ausstrahlen, wie das im TV möglich war, weil die Zuschauer sonst angenervt zu Alternativen wechseln, die vorher nicht bestanden. (Der Balanceakt hat sich zu Ungunsten der Anbieter verschoben.) Auch eine monatliche Zugangsgebühr kann nicht so hoch ausfallen wie in einer Welt ohne Alternativen.
- Qualität: Man muss alles schnell und in guter Qualität verfügbar machen, weil die Nutzer sonst zu Alternativen wechseln, die das Gleiche anbieten; kostenlos.
Angebote wie Hulu, dem Streaming-Angebot einiger US-Fernsehsender, können sich auch keine Ausfälle und schwankende Performance erlauben. Die Alternativen bleiben einen Klick entfernt. Und wenn man jetzt die Serie XY sehen will, werden die wenigsten warten, bis die legalen Anbieter sich wieder gefangen haben.
Das ist das eigentliche Problem der Medienindustrie: Wenn die Content- Produzenten es nicht schaffen, die Nachfrage zu bedienen, übernehmen das andere und stellen fremde Inhalte kostenlos ins Netz.
Der Nachteil der legalen Anbieter ist offensichtlich: Während die unautorisierte Konkurrenz nur auf die variablen Kosten der Vervielfältigung und Verbreitung der Inhalte achten muss, müssen die legalen Anbieter auch die Kosten für die Erstellung der Inhalte refinanzieren:
Filesharing kostet die beteiligten Endnutzer mit Flatrate-Anschluss keine zusätzlichen Kosten. Megavideo und Rapidshare zum Beispiel müssen lediglich die Traffic-Kosten für Streaming respektive Download refinanzieren. Aggregatoren wie Sidereel haben sogar noch geringere Kosten. (Warum "das Verbieten" solcher Angebote nicht einfach beziehungsweise nicht ohne massive Kollateralschäden möglich ist, kann man unter anderem hier bezüglich Sidereel und User Generated Content und hier konkret am Fall Sixtus vs. GVU nachlesen.)
Die legalen Anbieter können also in der direkten Konkurrenz nicht darauf setzen, ihre Kosten allein auf diesen Weg komplett wieder einzuspielen.
Fazit: Ja, legale Angebote, die bezahlbar und qualitativ hochwertig sind und mit geringen Transaktionskosten für die Endnutzer kommen, werden den Produzenten von Film, Musik etc. helfen, auch im Netz Geld zu verdienen. Aber wer glaubt, dass das zu vergleichbar hohen Einkünften wie in der Zeit vor dem Netz führen wird, irrt. Die auf diese Wege erzielten Margen für die Produzenten werden nahezu immer geringer sein.
Das alles heißt aber auch nicht, dass die Kulturproduktion mit dem Netz endet. Es bedeutet 'lediglich', dass sich die Geschäftsmodelle tatsächlich ändern und nicht nur von analog zu digital wechseln.
Der Gesamtumsatz der Musikbranche, dem Kanarienvogel der Digitalisierung, wächst schließlich in vielen Ländern. Das sollte Grund genug für Optimismus sein.
Die Erlösquellen ändern sich, aber vielleicht führt das insgesamt nicht zur von Lobbyisten des öfteren prophezeiten Kultur-Apokalypse sondern zum exakten Gegenteil: Einer Renaissance unserer Kulturproduktion in ungeahnten Höhen.
(Foto: kevindooley; CC-Lizenz)