Als Ende Sommer 2012 Spotify eine Kooperation mit der Deutschen Telekom bekanntgab, in der ein Tarif vorgestellt wurde, bei dem das mobile Streaming über Spotify komplett inklusive ist, schrieb Jens Best:
Welche Daten über das Web transportiert werden, geht den Provider nichts an. Netzneutralität bedeutet, dass es deine Sache ist, ob du Texte, Musik, Video etc. mit einer Plattform oder mit Freunden austauschst. Die diskriminierungsfreie Übertragung aller Datenpakete unabhängig von Herkunft oder Ziel, Form oder Inhalt. Dies ist eine der wesentlichen Grundlagen für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Innovationskraft des Webs.Es geht der Telekom also nur vordergründig darum, den Konsumenten eine Freude zu machen. Wichtig für die verschlagene Strategie der Telekom ist es die Musik-Daten aus den anderen Datenarten herauszutrennen. Hiermit wird ein Präzedenzfall geschaffen. Es geht der Telekom darum, den durchschnittlichen Konsumenten daran zu gewöhnen, dass es für unterschiedliche Datenarten unterschiedliche Abrechnungen gibt.
Spotify war fleißig im letzten Jahr oder wurde von vielen Netzbetreibern umworben. Nach und nach hat Spotify in vielen europäischen Ländern ähnliche Deals abgeschlossen. hypebot fasst die Aktivitäten von Spotify zusammen, die zuletzt in der Schweiz fruchteten:
Today's launch with Orange Switzerland marks the latest in a series of telecom partnerships for Spotify in Europe including Telia (Sweden, Denmark, Finland and Norway), Virgin Media (the UK), Yoigo in Spain, SFR in France, KPN in the Netherlands and Deutsche Telekom in Germany.
Spotify ist nicht das einzige Webunternehmen, das mit Deals mit den Netzbetreibern die zwar diskutierte, aber weder in den USA noch in Europa gesetzlich festgeschriebene Netzneutralität unterwandert. Facebook verstößt mit Facebook Zero seit 2010 gegen die Netzneutralität. Ein Problem bei all diesen Deals ist auch, dass es bis heute hierzu keine Debatte gibt. Der Grund dafür ist auch offensichtlich: Es gibt kurzfristig kein Empörungspotential. Ohne dieses bleiben viele klassische Massenmedien und Netzaktivisten blind.
Spotify hat aufgrund seines Geschäfts, das von den mobilen Datentarifen enorm zurückgehalten wird, einen entsprechend großen Anreiz als Unternehmen für solche Deals. Das Startup ist nicht dafür verantwortlich, wie sich das Web und das Verhältnis zwischen Webanbietern und Netzbetreibern entwickelt.
Das heißt aber nicht, dass wir den Mantel des Schweigens über Spotifys Verhalten werfen sollten. Ganz im Gegenteil. Die unschöne Rolle, die Spotify im Europäischen Kampf gegen/für eine Festschreibung der Netzneutralität einnimmt, sollte dem Unternehmen immer wieder auf's PR-Brot geschmiert werden.
Jeder Vertrag von Spotify mit einem weiteren europäischen Netzbetreiber ist ein weiterer Nagel im Sarg einer möglichem europäischen Festschreibung der Netzneutralität. Denn jeder Vertrag schafft Tatsachen, in jedem europäischen Land. Je mehr solche Tatsachen existieren, desto schwieriger wird eine Rechtfertigung für eine neue gesetzliche Regelung.
Die Strategie der Netzbetreiber ist einfach:
Der Kunde freut sich heute. Mit diesem T-Mobile-Tarif kann ich so viel Spotify streamen wie ich will, auch wenn ich unterwegs bin!
Der Kunde ärgert sich morgen, wenn es zu spät ist. Mit diesem Tarif bekomme ich Spotify und YouTube inklusive, aber ein langsames Facebook. Bei dem anderen Tarif zahle ich 10 Euro mehr, aber erhalte neben YouTube auch Facebook und SPON in schnell, aber kein Spotify. Und, oh Gott, meine Nase blutet!
Ohne Netzneutralität wird das Abschließen eines Internetzugangs so verständlich wie der Abschluss einer Versicherung werden.
Wer hätte gedacht, dass ein beliebtes Musikstartup aus Schweden das Ende für eine Festschreibung der Netzneutralität auf europäischer Ebene darstellen könnte?
Well played, Netzbetreiber.
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Mehr Argumente für eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität: Die Regulierung der Netzneutralität ist so wichtig wie die der Finanzmärkte