Plattform-Provider, die erfolgreich einen zweiseitigen Markt aufbauen wollen, stehen vor einem Problem: Da die Plattform für jede Seite erst attraktiv wird, wenn die andere Seite auf der Plattform präsent ist, präsentiert sich ein Henne-Ei-Problem, wie ich im Grundlagen-Artikel zu zweiseitigen Märkten schrieb:
Wer ein System mit zweiseitigen, indirekten Netzwerkeffekten aufbauen will, steht vor einem Henne-Ei-Problem. Gehen wir von zwei Nutzergruppen aus, A und B:
Der Nutzen des Systems für Gruppe A entsteht nur, wenn Gruppe B an Bord ist. Das Gleiche gilt umgekehrt für Gruppe B wenn zweiseitige indirekte Netzwerkeffekte vorliegen. In diesem Fall wartet jede der Seiten darauf, dass die andere Seite die Plattform annimmt.
Plattform-Provider setzen unterschiedliche Strategien ein, um dieses Problem zu lösen. Drei aktuelle Beispiele:
1. AdTaily ist ein polnisches Werbenetzwerk, das 125x125Pixel-Banner auf Websites vermarktet. Es muss Werbekunden und Publisher auf seine Plattform locken. Für Publisher gibt es aus diesem Grund ein recht attraktives Angebot. Wenn Werbeaufträge direkt über das Widget zustandekommen, verlangt AdTaily keine Provision.
Publisher bekommen damit eine einfach zu handhabende Werbe-Möglichkeit an die Hand, die ihnen alles Administrative abnimmt und keine zusätzlichen Kosten bei erfolgreicher Direktvermarktung über die Site bedeutet:
Enter AdTaily’s ad sales widget. Once embedded on a publisher’s site, it enables readers to buy ads with as little as 3 clicks – they don’t even have to upload the required 125×125 banner as the widget will generate one if necessary based on any text entered. Publishers get to set the price for placing an ad – charged daily, weekly or monthly – and keep 100% of the proceeds if the sale comes directly through the widget, which is potentially quite disruptive.
Warum macht das AdTaily so? Weil sie erst viele Publisher auf ihre Plattform bekommen müssen, damit diese attraktiv für die Werbekunden wird, an die AdTaily ihr Werbeflächen-Inventar mit Provision verkauft.
Eine sehr kluge Strategie.
2. Mit dem noch in Private Beta befindlichen flattr können Endnutzer einen Betrag hochladen und diesen dann mittels Klicks auf Inhalte im Netz verteilen, die sie unterstützenswert finden. Flattr muss auf der einen Seite die Endnutzer und auf der anderen Seite Anbieter von Inhalten auf seine Plattform bekommen.
Auf netzwertig.com kann man über flattr lesen:
Das System setzt voraus, dass möglichst viele Anwender und Ersteller von Inhalten gleichzeitig mit der Nutzung von Flattr beginnen. Um das daraus resultierende Henne-Ei-Problem etwas zu lindern, aggregiert Flattr im Mitgliederbereich alle Objekte, für die bereits ein Flattr-Eintrag angelegt wurde, ungeachtet davon, ob der dabei generierte Flattr-Button bereits auf der jeweiligen Site eingebaut wurde.
Wer also bei Flattr sein Konto mit beispielsweise zwei Euro befüllt und anschließend nirgends im Web auf Inhalte stößt, die sich flattern lassen, hat dann immer noch Gelegenheit, sein Investment an fleißige Content-Ersteller zu verteilen.
Flattr versucht, möglichst schnell eine Interaktion auf der Plattform zwischen den zwei Seiten herzustellen oder anders ausgedrückt, die Kosten für die Interaktion auf der Plattform auf ein Minimum zu senken.
Ein guter Ansatz, aber ausbaufähig.
3. Kachingle ist ein ähnliches Angebot wie flattr. Bei Kachingle zahlen Endnutzer einen monatlichen Betrag. Dieser wird dann anteilig nach Besuchen auf die unterstützten Websites ausgeschüttet, die auf Kachingle vertreten sind.
Aktuell kämpft Kachingle noch gegen die Anfangsschwierigkeiten. Stefan Mey analysiert Kachingles aktuelle Situation:
Weltweit beteiligen sich erst 131 Seiten. Der Blog Steveouting.com führt mit nur ingesamt 59 Unterstützern das globale Kachingle-Ranking an und hat in fünf Monaten gerade einmal 113 $ eingenommen. Auf den hinteren Plätzen sieht es noch sehr viel dünner aus.
und fasst zusammen:
Kachingle steht vor dem klassischen Dilemma zweiseitiger Märkte: Nur wenn die Nutzergruppe 1 (Inhalte-Anbieter) groß genug ist, wird die Plattform für die Nutzergruppe 2 (Unterstützer) attraktiv- und umgekehrt. Erst wenn sich mehr reichweitenstarke Blogs beteiligen und somit gleichzeitig als Werbeträger für das Konzept fungieren, würde Kachingle für eine größere Zahl von Lesern interessant werden, auch und gerade für solche, die primär einzahlen.
Kachingle scheint aktuell keine konkrete Strategie zu verfolgen, um dieses Problem zu lösen.