Apropos blinde Flecken der deutschen Webstartup-Szene. In Frankreich kann man an einem guten Beispiel sehen, woher der regulatorische Wind in Europa weht und die nächsten Jahre wehen wird.
Mit seltener Einstimmigkeit hat die französische Nationalversammlung am Donnerstag für ein Gesetz zum Schutz traditioneller Buchläden vor Internet-Händlern gestimmt. Damit soll es Online-Riesen wie Amazon künftig verboten sein, im Preis bereits maximal herabgesetzte Bücher umsonst zu versenden. Im Rahmen der französischen Preisbindung dürfen Bücher um bis zu fünf Prozent billiger verkauft werden. Darin muss künftig ein möglicher Gratisversand bereits enthalten sein.
Schaut man sich die Kommentare auf deutsche-startups.de zu meinem Artikel "Warum Gründer nicht FDP wählen sollten" kurz vor der letzten Bundestagswahl an, wird deutlich, wie vielen Gründern und Mitarbeitern nicht bewusst ist, in welche Richtung sich die Politik entwickelt. Statt auf Breitbandausbau und internetfreundliche Politik schauen sie auf Steuererleichterungen und Bürokratieabbau.
Das ist ein grobes Missverständnis der aktuellen Dynamiken. Ein aktiv forcierter Breitbandausbau würde dank des dadurch schnelleren Wachstums des gesamten Internetmarktes jede ausfallende Steuersenkung für Webunternehmen abfangen und mehr.
Das Problem ist natürlich, dass wir in Frankreich und Deutschland längst nicht mehr von Zugewinnen auf Seiten der Politik sprechen können sondern nur noch vom Verhindern des Schlimmsten. Aber selbst das Presseleistungsschutzrecht, ein so offensichtlicher Lobbyerfolg einer etablierten Industrie gegen neue Konkurrenz und Marktkonstellation, konnte nicht dabei helfen, den deutschen Gründern die Augen zu öffnen, in welche Richtung Internetpolitik in diesem Land geht. Sie sind -noch- blind für den gesellschaftlichen Kontext, in dem sie sich bewegen.
Sie werden es wohl erst merken, wenn die von den reaktionären Kräften angetriebenen Regulierer und Gesetzgeber in ihrem Marktsegment ankommen. Aber dann ist es zu spät.
Das ist bedauerlich, weil wir alle für den kommenden Analogprotektionismus bezahlen werden. So wie die französischen Buchleser, die zugunsten von Buchhändlern um einen günstigen Versand durch Amazon gebracht werden.