Die Telekom hat heute, wie von mir im April vorausgesehen, bekannt gegeben, dass ihre zukünftigen Volumentarife künftig nicht mehr auf 384 KBit/s, sondern nur noch auf 2 MBit/s gedrosselt werden sollen.
Digitale Gesellschaft e.V. kommentiert folgerichtig:
Der Digitale Gesellschaft e. V. hält die angekündigte Erhöhung für ein rein taktisches Zugeständnis: “Die ursprünglich angekündigten 384 KBit/s sind im Jahr 2016 mit einer Sperre gleichzusetzen. Mit 2 MBit/s wird man 2016 aber auch nicht mehr als e-Mails lesen können. Videos, größere Downloads, die Synchronisierung von Daten in der Cloud, Livestreams und Spiele sind dann nicht mehr möglich”, sagt Markus Beckedahl, Vorstand des Digitale Gesellschaft e.V. “Wenn mehr als eine Person im Haushalt Video schaut, ist das Internet für die anderen nicht mehr benutzbar. Familien und Wohngemeinschaften werden gegenüber Singles benachteiligt.”Beim entscheidenden Punkt weicht die Deutsche Telekom kein einziges Bit von ihrer Linie ab: Weiterhin sollen sich Partner für die Überholspuren auf den sogenannten “Managed-Services” einkaufen können. “Die Deutsche Telekom nutzt einen Taschenspielertrick und benennt einfach Teile ihres Netzes, die “Managed-Services”, in “Kabelfernsehen” um – und meint damit die Netzneutralität umgehen zu können.
Ich hatte diesen taktischen Schritt der Telekom im April vorhergesehen, als die neuen Drosselungstarife mit Datendiskriminierung veröffentlicht wurden:
Die verkündeten Telekomtarife sind der Versuch der Telekom, einmal zu schauen, wie weit sie gehen können. Sollten sie einen massiven öffentlichen Aufschrei mit Drohungen von Politikern als Reaktion bekommen, können sie dann immer noch so tun, als wären sie kompromissbereit und könnten die Geschwindigkeit nach der ‘Drosselung’ um ein Vielfaches erhöhen. Auf, sagen wir zum Beispiel, 10 oder 15 Prozent. Das wäre dann ein enormer Anstieg gegenüber 0,19 Prozent im schlimmsten Fall und würde dann wie ein Sieg der Kritiker aussehen. Es würde aber nur so aussehen, weil die Telekom mit ihren ersten Drosseltarifen die Internetanschlüsse nach den Inklusivvolumen de facto lahm legen wollte. Der Sieger wäre die Telekom, die letztlich immer noch bekommt was sie will: Eine Welt, in der sie gesondert doppelt abkassieren kann, bei Internetanbietern und Endnutzern, und zum Kingmaker weil Gatekeeper des 21. Jahrhunderts wird.Man sollte sich da keine Illusionen machen. Das ist alles Taktik.
Diese vorhersehbare und leicht durchschaubare Taktik der Telekom scheint aufzugehen.
Die Süddeutsche etwa spricht davon, dass die Telekom vor dem Drosselkom-Protest eingeknickt sei. Andere Medien sprechen davon, dass die Telekom nachgibt und zurückrudert (Die Welt, FAZ). So weit ich das überblicke, scheint kein Massenmedium über das Offensichtliche zu sprechen: Dass diese Erhöhung von Anfang an geplante Taktik der Telekom war und dass sich am Grundproblem nichts geändert hat.
Die konkrete Drosselungsgeschwindigkeit ist maximal ein Nebenkriegsschauplatz: Ihre Höhe ist relativ irrelevant, solang sie hoch genug bleibt, um die Nutzung des Internets für normale Haushalte mit DSL-Anschluss zu behindern und solang die Telekom an einer Datendiskriminierung, also der Verletzung der Netzneutralität, festhält.
Das Problem ist nicht die Drosselung selbst, sondern die Folge der Drosselung: Die Ungleichbehandlung von Webangeboten, weil die Telekom Wegezoll für 'Managed Services' anbietet, die von der Drosselung befreit werden.
Dass die Telekom ohne Probleme von 384 KBit/s auf 2 MBit/s erhöhen kann ohne zum Beispiel die monatlichen Beiträge der Tarife erhöhen zu müssen, zeigt auch, dass das Argument der Telekom, es ginge hier um knappe Ressourcen an den Haaren herbeigezogen ist. Wenn diese tatsächlich so knapp wären und die Telekom hier haarscharf kalkulieren müsste, wäre diese Geschwindigkeitserhöhung nicht möglich gewesen ohne an anderen Stellschrauben zu drehen. Warum bohrt hier niemand nach?
Es ist wieder einmal ausgesprochen bedauerlich und beängstigend, wie leicht ein Konzern wie die Telekom auf der in diesen Themen oft unbedarften Klaviatur der deutschen Massenmedien spielen kann.
Aktuell läuft alles nach Plan der Telekom.
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