5. Mai 2010 Lesezeit: 3 Min.

Durchlauferhitzer: Facebook und Twitter stärken deutsche Blogosphäre

facebook-twitter

Twitter und Facebook sind aufgrund ihrer jeweiligen Größe, ihrer Durchdringung des deutschen Marktes und ihrer Architektur zu den längst überfälligen Durchlauferhitzern für die deutsche Weböffentlichkeit geworden.

Inhalt:

Die deutsche Situation

Die deutsche Blogosphäre ist im Vergleich zu anderen Blogosphären westlicher Länder unterentwickelt. Dafür gibt es viele Gründe. Ein Grund war immer, dass die deutschen Blogs durch die deutsche, schwache Startup-Landschaft benachteiligt waren. In den USA gab es zum Beispiel neben Slashdot noch Digg und seine Nachfahren, die auf demokratische Weise auch Artikel von unbekannten Blogs nach oben spülen konnten und somit für eine stärkere Durchlässigkeit innerhalb der Reichweitenverteilung der Blogs sorgen.

In Deutschland gab es lediglich eher schlecht als recht umgesetzte Klone wie YiGG (das zurecht mittlerweile völlig an Bedeutung verloren hat) oder Webnews, die außerhalb von SEO- respektive Promiklatschthemen nie nennenswerte Aufmerksamkeiten auf Webinhalte lenken konnten.

Die deutsche Startup-Landschaft hat nie für Angebote sorgen können, die die Netzöffentlichkeit strukturell massgeblich unterstützt hätten.

Lediglich das Ein-Mann-Projekt Rivva steht wie ein einsamer Fels in der Brandung des deutschen Nichts.

Und nun kommen Twitter und Facebook.

Größe und Penetration des deutschen Marktes

Jeder zehnte Deutsche ist auf Facebook, dem größten Social Network der Welt. Tendenz steigend: Facebook ist seit Jahresanfang um 56 Prozent gewachsen.

Kein anderes deutsches Social Network ist so groß. (Das Zusammenzählen aller VZ-Netzwerke zählt nicht.)

Twitter wird laut Untersuchung von Thomas Pfeiffer von 270.000 deutschsprachigen Usern aktiv genutzt.

Architektur macht Lokalisierung überflüssig

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Facebook, Twitter und co. und Social-News-Angeboten wie Digg: Bei letzteren geht es in erster Linie um die Startseite.

Damit das in den USA erfolgreiche Digg im deutschsprachigen Raum Fuss fassen könnte, müsste es eine lokalisierte Version anbieten. Da es dies nicht tut, war Platz für den Digg-Klon YiGG, der diesen Platz allerdings mit einer schlechten Umsetzung versuchte auszufüllen.

Facebook und Twitter funktionieren anders. Dort geht es nicht in erster Linie um die Startseite für alle Nutzer des Dienstes, sondern um das jeweils persönliche Umfeld. Das Follower-Prinzip: Jeder entscheidet selbst, wem er folgt oder wen er addet. Jeder entscheidet selbst, wie die eigene Startseite, der eigene Blick auf den Dienst, aussieht. Damit bekommt jeder sein personalisiertes Facebook oder Twitter. Und das frei haus aufgrund der normalen Nutzung.

Das bedeutet nun auch, dass auf das Follower-Prinzip setzende Dienste auch ohne ein spezielles lokales Angebot wachsen können; solang die deutschen Nutzer sich auf der Site gegenseitig finden können. Eine eingedeutschte Oberfläche ist hilfreich, aber nicht essentiell für den Erfolg im deutschen Markt. (Das ist auch der Grund, warum die unzähligen deutschen Twitter-Klone seinerzeit keinen Erfolg hatten: Sie waren schlicht nicht nötig.)

Erhitzung des Durchlaufs

Twitter wird oft für das Verbreiten von Links zu (Blog-)Artikeln verwendet. Die Macht des Retweets, der Links schnell verbreiten kann, ist mittlerweile bekannt. Wenig verwunderlich setzt Rivva bereits seit langer Zeit neben den notorisch seltenen Verlinkungen zwischen den deutschen Blogs auch Twitter als Faktor für die Popularitätsmessung von Inhalten ein.

Facebook zielt mit seinen Neuerungen noch stärker als vorher auf das Web und dort erscheinende Inhalte. In den USA ist Facebook für einige Angebote wie perezhilton.com bereits wichtiger als Google. Auch in Deutschland nimmt die Bedeutung des Facebook-Newsfeeds und dort geposteter Links stark zu.

Bei beiden Diensten bieten Mashups noch mehr Einstiegspunkte in die so verbreiteten Inhalte: Zum Beispiel persönliche Link-Aggregatoren bei Twitter und neue Mashups wie "Das gefällt uns" bei Facebook. Der Plattformansatz bei beiden Angeboten bietet Entwicklern die Möglichkeit, Mashups für das deutsche Umfeld zu schaffen.

Fazit

Die deutsche Blogosphäre hat jahrelang ohne Webstartups auskommen müssen, die resonanzfähige Inhalte verstärken und nach oben spülen konnte. Die deutschen Blogs waren auf sich allein angewiesen. (Was die Linkarmut noch bemerkenswerter macht.)

Twitter und Facebook gewinnen international und im deutschsprachigen Raum an Bedeutung. Sie sind beide prädestiniert für das Verbreiten von Inhalten.

Sie können beide ohne nennenswerte Aufwendung von Seiten der Anbieter in Deutschland wachsen und haben hierzulande unter anderem deshalb bereits stattliche Größen erreicht.

Auf diese Plattformen aufsetzende Mashups verstärken noch die Sichtbarkeit der so distribuierten Inhalte.

Die Verteilung von Inhalten wird also auch in Deutschland einfacher. Kleine Blogs sind nicht mehr allein auf die Gnade verlinkender, größerer Blogs angewiesen.

Eine längst überfällige Entwicklung, die der deutschen Blogosphäre bereits gut tut und künftig weiterhin noch sehr gut tun wird.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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