Johnny Haeusler sieht auf Spreeblick zwei parallele Netze entstehen, ein offenes, chaotisches und ein geordnetes, 'sicheres', von Konzernen be- und getriebenes Netz:
Ließe man auf einem iPhone von Apple auch noch den Browser weg, hätte man dieses Netz schon, denn Apps und deren Funktionen unterliegen den Entscheidungen von Apple, Netzfunktionalitäten sind meistens App-interner, also eingeschränkter Natur und schwer zu umgehen, die Funktionen des Geräts sowie seine Inhalte lassen sich nach Altersstufen einschränken. Der interne Zahlungsverkehr ist bei Apple bereits eingebaut, ebenso wie bei den Mitbewerbern.
Schließlich arbeitet auch Facebook daran, dass der Nutzer Zuckerbergs Kreation nicht mehr verlassen muss, nicht einmal Links „nach draußen“ braucht man noch, wenn die Facebook-interne Reader-App des Guardian dessen Texte innerhalb von Facebook erscheinen lässt. Gespielt, Filme geschaut und Musik gehört wird eh schon direkt bei Facebook, was also hindert Provider daran, auf Wunsch des Kunden nur Facebook frei zu schalten?
Das ist eine oft gemachte Befürchtung, die allerdings unrealistisch ist.
Egal auf welcher Ebene der Wertschöpfung die Plattformen stehen: Sie brauchen immer die Anbindung an den Rest des Webs.
Schauen wir uns iOS an: Was wäre das iPhone oder das iPad ohne einen Browser? iOS ohne Browser wäre ein minderwertiges Betriebssystem, dessen Attraktivität aufgrund der Nichtanbindung an ein unkontrolliertes Web stark sinken würde. Jede konkurrierende Plattform, die neben den nativen Apps auch einen Browser erlaubt, wird immer gegen die browserfreie Variante gewinnen. Wettbewerb auf dem Markt, schöne Sache!
iOS ist eine Plattform, die gerade aufgrund der zwei Schienen - native Apps und Webapps - und des konsequenten Verfolgens dieser zwei Schienen so gut läuft und so gut angenommen wird.
Was ist mit Facebook? Es ist kein Zufall, dass Facebook Connect und die anderen Plattformkomponenten von Facebook, die für eine offsite-Verknüpfung verantwortlich sind (Like-Button, Open Graph) sehr viel erfolgreicher sind als die Apps, die visuell komplett innerhalb von Facebook laufen.
Die zunehmende Außenanbindung von Facebook macht dieses so attraktiv. Facebook braucht diese Außenverbindungen. Facebook braucht Startups und Websites, auf denen die verrücktesten Sachen passieren, und die Facebooks Social Graph und Open-Graph-Daten dafür nutzen.
Johnny Haeusler beschreibt es bereits selbst, wenn auch leider ungenau:
Gespielt, Filme geschaut und Musik gehört wird eh schon direkt bei Facebook
Eben nicht. Musik wird auf Simfy, Spotify, Deezer oder Rdio gehört. Alle zeichnen sich dadurch aus, dass sie eigenständige Dienste mit eigenständigen komplexen Angeboten sind. Sie nutzen die Daten auf Facebook, um User besser zu vernetzen und das Angebot attraktiver (und viraler) zu machen. Alle gewinnen: Die Nutzer, die Dienste und Facebook (Das ist die Win-win-win-Situation, die OpenID killt.).
Ich hatte das schon einmal in "Facebook ist nicht AOL 2.0, Facebook ist das Gegenteil" beschrieben:
Facebook ist nicht so erfolgreich, weil es so zentral wie möglich ist, sondern weil es, ausgehend von seiner Angebotskategorie, so dezentral wie möglich ist.
Die Mutmaßung, die Befürchtung, zwei getrennte Netze würden entstehen, ist also realitätsfern.
Was passiert aber stattdessen?
Statt die Plattformen als sich immer stärker abgrenzende 'walled gardens' zu betrachten, bieten sich eher Städte als sprachliches Bild an.
Facebook ist die stark wachsende Metropole. Sie bietet vielen Menschen mehr als die angrenzenden Dörfer, die untereinander über Straßen verbunden sind. Wer viel Zeit und Muße hat, kann auch in den Dörfern fast alles finden, was sein Herz begehrt. Aber eben nur mit viel Zeit und eben nur fast alles.
Die Metropole Facebook bietet, was die Dörfer nicht bieten (Nutzer, angebundene Dienste, Funktionen, die erst mit Masse Sinn ergeben). Aber erst die Möglichkeit für alles, was nicht direkt in der Stadt vorhanden ist, auf das Umland zurückgreifen zu können, macht die Stadt zu dem attraktiven Rundumangebot, das sie ist.
Programmierschnittstellen, sogar einfache Links im Newsfeed nach außen, sind die Straßen, die die Facebook-Stadt erst bewohnenswert machen.
studiVZ, war eine Stadt, die glaubte, ohne Straßen auskommen zu können. Das aktuell zu beobachtende Ergebnis dieser grotesken Annahme war seit Jahren vorhersehbar.
Das gleiche Bild lässt sich auf die Plattformen, die zunehmenden Rundumangebote, von Google und Apple übertragen. Die schönste Stadt kann ohne Verbindung nach außen nicht überleben. Und jeder Stadtdesigner und jeder Stadtliebhaber weiß das.
Mark Zuckerberg, Larry Page und Tim Cook würden sich mit Händen und Füßen gegen die Abtrennung ihrer Plattformen vom Rest des Internets wehren.
Weil die Anbindung an das Internet in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse liegt.