Zalando hatte mit Fleek bereits vor einigen Jahren eine App, die Social-Network-Features in eine Modehandelsapp gegossen hat.
In einem sehr langsamen Zick-Zack-Kurs bewegt sich Zalando mit seiner Hauptapp (nachdem alle schnellen Experimentier-App-Beiboote wieder abgeschafft wurden) Richtung Handelsplattform mit Funktionen, die man von Social Networks kennt.
Marken kann man bereits seit längerem folgen, nur warum, das ist den Endkunden nicht klar.
Jetzt führt Zalando ‚Brand Homes‘ ein. Brand Homes sind, wenn man mit der Brille der Social Networks drauf schaut, Profile für Marken, verbunden mit einer einfacheren Zugangsart, Inhalte auf Zalando selbst einzuspielen. (via Exciting Commerce)
Christoph Lütke Schelhowe, Vice President Demand – Customer Acquisition & Engagement bei Zalando versucht, es im Corporate-Interview näher zu erklären:
Mit Brand Homes erhöhen Marken ihre Sichtbarkeit, denn wir bieten ihnen mehr Platz, um ihre Geschichte zu erzählen und speziellen Content und Kollektionen für Ihre Zielgruppe auf Zalando zusammen zu stellen. So werden Partner, die hochwertige Inhalte zum Zalando-Erlebnis beisteuern, mit organischer Reichweite und wachsenden Followerzahlen belohnt. Das ist besonders für weniger bekannte Marken eine großartige Möglichkeit, neue Kunden zu erreichen.[…]
Kunden können ihr Shoppingerlebnis jetzt aktiv mitgestalten, indem sie ihren Lieblingsmarken folgen und diese so besser kennenlernen. Der neue Marken-Content wird nicht nur in den Brand Homes selbst ausgespielt, sondern entlang der Customer Journey. Das erleichtert Kunden das Entdecken neuer, für sie interessanter Marken, sowie den Überblick über neue Kollektionen und Kampagnen ihrer Lieblingsmarken.
Behalten wir die Social-Network-Brille noch auf:
- Man kann Marken folgen
- Marken haben jetzt Profile, auf denen sie sich präsentieren können und eigene Inhalte besser auf Zalando einbinden können
Da fehlt doch was?
Genau.
Endkunden können Marken auf Zalando folgen, aber an keiner Stelle wird erklärt, warum man das machen sollte. Es gibt keinen dezidierten Feed, der von den verfolgten Marken gefüllt wird (nicht, dass der sehr interessant wäre..).
Was genau bekommen die Endkunden, wenn sie mit dem Finger auf „folgen“ gehen?
Nochmal der verantwortliche VP bei Zalando:
Das erleichtert Kunden das Entdecken neuer, für sie interessanter Marken, sowie den Überblick über neue Kollektionen und Kampagnen ihrer Lieblingsmarken.
Aha. Selbst im sicheren Umfeld des Corporate-Interviews gibt es keine Erklärung vom verantwortlichen Manager, die deutlich macht, was die Kundin mit dem Folgen von Marken bekommt.
Tatsächlich ist es aktuell lediglich ein weiteres explizites Signal für die Zusammensetzung der dynamisch erstellten Startseite der App. Die Tatsache, dass man bei Zalando weder in der PR noch gegenüber den Endkunden in der App explizit kommunizieren kann, was sie damit bekommen, sagt uns sehr viel.
Hier wird nur an eine Seite -die der Verkäufer, der Marken- gedacht, nicht an die andere Seite -die Käufer-.
Plattformen müssen immer bei allem beide Seiten mitdenken. Das macht Plattformsein zu einem konstanten Balanceakt.
Es gibt aber einen Kompass. Und zwar diesen Newsletter. Aber im Ernst. Es gibt immer eine Seite, die ‚wichtiger‘ ist. Der Zugang zu dieser Seite ist der anderen Seite wichtiger als umgedreht. Sprich, eine Seite ist immer attraktiver für die andere Seite als es umgedreht der Fall ist.
Für an Endkunden ausgerichtete Plattformen ist diese attraktivere Seite immer die Endkunden.
Deswegen orientieren sich alle großen Tech-Konzerne mit ihren Plattformen an den Endkunden. Dass sie alles für die User, die Nutzer, die Endkunden machen, ist zwar auch Selbstbeweihräucherungs-PR aber nicht nur. Es stimmt leider auch. Facebook sind seine Endnutzer wichtiger als die Werbekunden oder die Publisher. Denn letztere kommen immer, egal wie zähneknirschend, solang die Endnutzer da sind. Das Gleiche gilt für Google. Es gilt für Apple und natürlich gilt es auch für Amazon.
Ein Sprichwort in der Apple-Welt lautet, dass Apple sich selbst an erster Stelle sieht, an zweiter kommen die Endkunden, und erst an dritter kommen die Entwickler der Apps. Warum sollte es anders sein? Wo Endnutzer sind, da kommen auch die Entwickler. Im Zweifel wird Amazon bei jedem Supportfall Endkunden gegenüber Marktplatzverkäufern bevorzugen. Amazon prügelt seine Marktplatzhändler zu höchstem Serviceniveau, egal wie viel Marge das kostet. Ein Marktplatz kann das auffangen, wenn die Reichweite groß genug ist (und andere Einnahmequellen dadurch entstehen). Jeder Marktplatzprovider, der anders vorgeht, verliert: Die Verkäufer gehen dahin wo die Endkunden sind, nicht umgekehrt.
Das war eine etwas lange Exkursion, um darauf hinzuweisen, dass Zalando beim Ausbau des Marktplatzes zwar grundsätzlich in die richtige Richtung geht: Das Follower-Prinzip erlaubt es Verkäufern auf Marktplätzen, eine Stammkundschaft aufzubauen. Das erlaubt nachhaltigeres Wirtschaften auf diesen Plattformen, ist also attraktiv für Verkäufer, egal ob Hersteller oder Händler. Gleichzeitig erzeugt es langfristig, wenn erfolgreich, auch einen Graben für den Marktplatz. Also, grundsätzlich sinnvoll, aber: Dafür muss der Finger auf dem Follow-Button auch eine spürbare Folge für die Endkunden haben, oder zumindest im Hier und Jetzt die Frage nach dem Warum beantworten.
Aktuell, auch jetzt mit den Brand Homes, gibt es keinen direkt kommunizierbaren (oder zumindest kommunizierten) Grund für Endkunden, diese Funktion zu nutzen.
Lassen wir die explizite Aktivitätenanzeige, Feed oder Stories oderoder, einmal außen vor. Es gibt nicht einmal eine „Meine Marken“-Sektion in der Zalando-App, wo man alle verfolgten Hersteller findet. „Folgen“ funktioniert für die Endkunden also nicht mal als ‚Lesezeichen‘/Shortcut, wie ich bereits auf Twitter anmerkte.
Das bedeutet vor allem, dass alles, was sich Zalando und die Marken hiervon versprechen, weit hinter ihren Erwartungen zurückbleiben wird.
Ein Gegenbeispiel: AliExpress ist ein Marktplatz, auf dem man Influencern und Verkäufern folgen kann. Mit deren Inhalten wird dann eine eigene Feed-Sektion befüllt.
Audio-Version:
Dieser Text ist zuerst in Nexus 42: Implikationen eines Meta-Appstore, Goldene Zwanziger, Zalando & Chekhovs Follow-Button am 08.10.2020 erschienen.
Mittlerweile hat Zalando die Startseite stärker auf von einander abgehobene Markensegmente ausgerichtet mit dem Folgen-Button am Ende eines jeden farblich abgehobenen Segments einer Marke. Es ist eine Art Hybrid aus Feed und personalisierter Startseite mit starkem Markenfokus. Meine Vermutung: Es sollen möglichst viele Follow-Verbindungen hergestellt werden, bevor Zalando die nächsten Schritte geht. Zalandos Versuch, das Henne-Ei-Problem zu lösen. Die aktuelle Start-/Hauptseite hat ein starkes Setup-Gefühl. Die Prominenz des Folgen-Buttons zeigt deutlich, wie wichtig diese Funktion für die künftige Strategie von Zalando ist. (Nachvollziehbar, wenn Zalando ein Marktplatz/Self-Serve-Plattform für Markenhersteller werden will.)
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