Michael Seemann auf ‚Was mit Büchern‘ über sein Crowdfunding für sein Buch:
Ich wurde von allerlei Menschen (einer so genannten »Crowd«) beauftragt, ein Buch zu schreiben. Die Beauftragung kam allerdings zu Stande, weil ich auf der Crowdfundingplattform Startnext freundlich danach fragte, jedoch wurde meine Frage mit einem euphorischen »Ja!« beantwortet. Ich habe die angepeilte Summe von 8.000 Euro innerhalb von 28 Stunden zusammengesammelt und steuere gerade auf 14.000 zu. Ich will bis Ende Januar mindestens noch 15.000 Euro schaffen, um mit dem zusätzlichen Geld ein Audiobook zu produzieren. Ab Angfang Februar werde ich also Autor sein und mein erstes eigenes Buch schreiben.
Seemanns Buch wird in seiner digitalen Form so frei von urheberrechtlichen Exklusivrechten sein wie für einen deutschen Autor möglich. (Im Gegensatz zu ihren nordamerikanischen Kollegen können deutsche Urheber ihre Werke nicht in die Gemeinfreiheit entlassen.)
Interessant für die aktuelle Zeit des Umbruchs, in der Offlinekanäle und Online noch parallel existieren, ist das Lizenzmodell, das zwischen den Sphären unterscheidet:
Ich habe mir extra eine Lizenz ausgedacht, die es mir erlaubt, die Nutzung meiner Inhalte in der digitalen Sphäre so frei wie möglich zu gestalten und mir gleichzeitig alle Rechte für die analoge Form vorzubehalten: die WTFPDL (wtfpdl.net). Sie erlaubt es mir, die analoge Form – also die Printversion des Buches – exklusiv zu verkaufen und gleichzeitig das Momentum einer freien eBookversion auszunutzen.
Crowdfunding ist eines der vielversprechendsten Finanzierungsmodelle für Kunst und Kultur im digitalen Zeitalter, weil es, wie wir hier bereits mehrfach erörtert haben, dort ansetzt, wo die Kosten entstehen: Bei der Produktion der Kulturgüter. Immaterielle Güter, die in digitaler Form keine Distributionskosten besitzen, sind nicht knapp in der Verbreitung sondern ’nur‘ noch in der Produktion. Deshalb ist meine Prognose seit einigen Jahren, dass immer mehr urheberrechtsfreie Kulturprojekte über Crowdfunding finanziert werden. Eine Entwicklung, die man bereits seit geraumer Zeit an unterschiedlichsten Beispielen wie etwa den copyrightfreien Aufnahmen von Bachs Goldberg Variationen beobachten kann.
Das Projekt von Michael Seemann kann auf Startnext noch die nächsten 23 Tage unterstützt werden.
nk says
Den Begriff urheberrechtsfrei finde ich problematisch.
1. Weil er das alte Copyright-Gleichnis fördert, obwohl der Text doch auf den Unterschied zum amerikanischen Modell hinweist
2. weil MsPro ja eben nicht vollständig die die Nutzungsrechte abtritt, sondern „nur“ im Digitalen.
Thomas Elbel says
Das eigentlich sensationelle an der Sache ist, dass ein Vordenker der Piratenpartei feststellt, dass eine sinnvolle Distribution von Büchern ohne Verlag nicht möglich ist. Ja, er will sogar einen literarischen Agenten unter Vertrag nehmen. Welcome back to the old world. Die Reihe Schramm, Weisband setzt sich also nahtlos fort.
Marcel Weiss says
Michael Seemann ist nie Mitglied in der Piratenpartei gewesen.
Marcel Weiss says
Man kann in einer Überschrift nicht immer alle Aspekte eines Themas beleuchten.
Thomas Elbel says
Nochmal: Vordenker.
Thomas Elbel says
Verbesserst Du den Artikel jetzt nach dieser Aussage:
https://twitter.com/mspro/status/421274615630286848
Marcel Weiss says
Ich sehe keinen Fehler im Text. Und wie oben bereits kommentiert: „Man kann in einer Überschrift nicht immer alle Aspekte eines Themas beleuchten.“
nk says
Die Überschrift beleuchtet aber überhaupt keinen Aspekt des Themas, weil die Aussage faktisch falsch ist.
Ich weiß, wo ich Dich als Autor einordnen kann, aber normalerweise nehme ich Leute nicht ernst, die vom „Urheberrecht abtreten“ o.ä. sprechen. Möglicherweise gehts anderen ähnlich.
Marcel Weiss says
Danke. Ich werde das künftig mit in Betracht ziehen. Ich weiß nur nicht auf Anhieb, wie man den Umstand elegant anders hätte betiteln können. Betonung liegt auf ‚elegant‘.
nk says
natürlich eine gute Frage, wie man das knackig formuliert bekommt. Spontan fällt mir vielleicht „alternativer Verwertungsmodelle“, „freier Kulturnutzung“ oder kurz „freier(er) Kultur“ ein. Ob das jetzt sexy ist, sei dahingestellt. :)
Thomas Elbel says
Es ist sicher Geschmacksfrage, aber der Artikel stellt m.E. den eigentlichen Newswert auf den Kopf. Sensationell ist nicht, dass mspro so ein bisschen Urneberrechtsverwertungsbeschränking auf Basis Krautpfanding probiert. Das haben andere schon in größerem und intelligenterem Maßstab getan.
Sensationell ist, dass ein typischer Vertreter der „Das Urheberrecht gehört abgeschafft – Sucht Euch neue Geschäftsmodelle“-Fraktion (mal wieder; vgl. U. Schramm u. M. Weisband) einen mehrheitlich klassischen Weg der Veröffentlichung geht und zwar mit den folgenden Argumenten:
1. Ich will mehr Kohle
2. Ich will Renommée
3. Ich will professionelle Distribution (Sichtbarkeit im Buchhandel) und Marketing
… und all das können mir halt nur die guten alten Verlage von der Content Mafia bieten. Das sieht für mich sturen Verfechter alter Geschäftsmodelle schon sehr nach wohlfeiler Umfallerei aus.
DAS hätte nähere Beleuchtung verdient.
Thomas Elbel says
Sehr ernüchternd ist es übrigens, wenn man sich bei Startnext mal die Fundingseite für Bücher ansieht:
http://www.startnext.de/Projekte.html#!literature/fundings/beliebtheit-d/28
Mspro hat sich ja bei „Journalismus“ eingeordnet. Guter Trick.