Schon im Linkblog Erwähnung gefunden: Das Löschen von Threads mit dem Key(einer Zahl..) zum Entschlüsseln decodierter HD DVDs -um unter Anderem das Abspielen unter Linux zu ermöglichen- auf digg hat zu einer beispiellosen Revolution der User gegen die Kontrollmechanismen auf der beliebten Social-News-Seite geführt.
Wer die genauen Hergänge der Vorkommnisse noch nicht kennt, dem empfehle ich den Text von Thomas Knüwer . Ich will im Folgenden nur ein paar Gedanken zu dem Vorfall äußern.
Um sich die Ausmaße auf der Newsseite mit über 1 Million Usern zu erahnen, sollte man sich die Sreenshots auf Mashable mal anschauen, die dort unter Anderem auch Folgendes schreiben:
We grabbed a new shot of the homepage with the HD-DVD-related stories outlined in red. How many stories? Every single one, going back at least 5 pages (numbers blurred, to keep us legit). For an idea of when this madness will end, take a look at the Upcoming Stories section – all but one are HD-DVD related, and I think that last one was buried right after we grabbed the shot.
Das war eine handfeste Revolte.
Und wenn man sich das in seinem ganzen Ausmaß anschaut, dann sollte einem auch Folgendes klarwerden: Die Macher hinter Digg hatten keine andere Wahl als einzulenken. Die Seite/Community hätte sich anderenfalls davon nicht mehr erholt.
Was sagt uns das nun?
Es ist ein Lehrstück für Web2.0-Anbieter wie Nutzer. Wer sein Geschäftsmodell auf der Arbeit seiner Nutzer aufbaut, hat in ihren Augen ihnen gegenüber eine besondere Verantwortung. Und zwar eine, die vor den Interessen der Investoren steht. Und dieses Zugeständnis holen sich die Nutzer notfalls ‚mit Gewalt‘.
Voraussetzung: eine kritische Masse an Usern, die die Gesamtheit der anderen Nutzer erreichen kann (in diesem Fall digg-Thread auf der Homepage). Ist das möglich und entspricht das Thema in etwa dem Konsens der meisten Nutzer, ist eine solche Community durch nichts mehr aufzuhalten. Was gestern auf digg passierte, ist ein Präzedenzfall. Einer, der auf anderen communitygetriebenen Seiten die Nutzer motivieren wird notfalls Ähnliches zu versuchen.
Nun ist es aber nicht so, wie Johnny hier zum Beispiel schreibt :
Für digg oder auch die Wikipedia jedoch könnte dieses Ende noch viel früher kommen, denn keines der beiden Unternehmen würde einen derartig mit Industriegeld ausgestatteten Rechtsstreit überleben können.
Auf Wikipedia herrschen andere Verhältnisse. User generated Content kann auf unterschiedliche Weise auf eine Seite gestellt werden. Und social ist nicht gleich social. Wie bereits oben geschrieben, wird so ein Vorfall nur möglich wenn eine kritische Masse an Usern die Gesamtheit erreichen kann. Das ist bei Social News gegeben. Letztlich ist genau das das Prinzip dieser Seiten. Auf schlichten Social Networks ist das zum Beispiel nicht zwingend der Fall. Sonst wäre der StudiVZ-Skandal um einige Dimensionen größer auf deren Seite angekommen.
Was das Thema des Streitfalls, der HD-DVD-Key, angeht: Wenn man zwischen dem gesellschaftlichen Mehrnutzen durch eine effizientere Verteilung von Kunstwerken (und Entertainment) abwägt gegen ökonomische Interessen der Schöpfer, dann gewinnt in meinen Augen die effizientere Verteilung. In einer idealen Welt wäre beides zufriedenstellend abgedeckt. Das ist in der Realität aber nicht möglich. Deshalb muss man wählen. Ich sehe mich also auch hier eher auf der Seite der digg-Revoluzzer.
Das muss man aber gar nicht, um für die revoltierenden Digg-Massen Sympathie zu empfinden. Sie führten das digg-Prinzip aus, wie sie es seit Jahren tun: Es ist letzenendes Basisdemokratie pur. Wer sich darüber als Manager einer Socialirgendwas-Seite beschwert und versucht, das zu steuern, der verhält sich wie jemand, der in Hinblick auf das letzte Wahlergebnis der Hamas sagt, ‚ Demokratie kann auch gefährlich sein‘ (So oder so ähnlich habe ich damals diesen Satz eines Kommentators oder Politikers im TV gehört). Das heißt schlichtweg, ‚ich finde Demokratie/User generated content nur gut solange sie Ergebnisse liefert, die ich mir auch wünsche‘. Pustekuchen, so funktioniert das nicht.
Thomas Knüwer hat das ganz richtig erkannt :
Es wird spannend werden in diesem Kampf, das ist klar. Er beweist aber eben, dass Geschäftsmodelle, die sich von einer Community leben, auch in der Hand dieser Gemeinschaft sind. Und wenn die Gemeinde an der steilen Klippe sagt „Spring“, dann heißt es springen. Oder die Community – und damit die Geschäftsgrundlage – sind weg.
Und warum soll sie auch nicht „Spring“ sagen dürfen? Die Community hat’s aufgebaut, sie hat auch jedes Recht das notfalls wieder zu zerstören. Besonders wenn sie sich auf einer grundlegenden Art hintergangen fühlt.
Ähnlich drückte es ein Kommentator auf Slashdot aus :
While they can do what they want on their own site, it is more a matter of credibility than anything else right now. The whole revolt isn’t even about the HD-DVD key. What has people feeling burnt is the fact that Digg purports to be about free and open user-driven content in a democratic setting, and what we’re seeing here is a cabal of admins who are subverting the entire process of the system to suit their own whims.
Now as I said, it’s not even about the 128-bit key anymore. And it’s not about the DMCA or its merits(or lack thereof). The problem goes much deeper than that, and the encryption key debacle was more of a catalyst for what the more perceptive Diggers knew was going on all along but never really had any proof of. See, it’s not just any posts containing the number they’re removing. The Digg admins are removing and banning any discussion on the topic, even legitimate discussions on the ramifications of censorship in the user-driven internet era. Quite a few legitimate and thought-provoking discussions got clobbered when the admins got ban-happy today.
They have unwittingly set themselves up as a prime example of what can go wrong when marketing dollars(it is being reported that the HD-DVD guys throw ad dollars at Diggnation) meet the voice of the people. It is now being said that the Digg admins are stepping in and removing „objectionable“ content when it conflicts with the will of their advertisers or displays any anti-Digg sentiment. While I’m sure this is good business sense, it’s a very ugly way of being outed as a shill and a fraud to your readers. Digg is supposed to be the underdog who fought the status-quo and beat overwhelming odds against „the system“. Now people are finding out that Digg has become the system, and they’re a bit disillusioned that their hero Mr. Rose is just like any other business man who is out to make a buck. But like I said, the admins of Digg are obviously free to do with their site as they see fit. But Digg is only as good as the people who contribute to it. Kiss them good-bye and you kiss Digg good-bye.
Die Massen sind für den Erfolg von digg verantwortlich, nicht die Seitenbetreiber. Letztere stellten ’nur‘ die Infrastruktur zur Verfügung. Wenn die Massen entscheiden dann ist das eben so. Der Souverän hat gesprochen.
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Pressespiegel:
Morgen (herrjeh) heute auf Seite 1 des Handelsblattes. Zumindest laut Handelsblattschreiberling Knüwer.
bei Jeriko One, der mehr oder weniger eine entgegengesetzte Meinung zu meiner vertritt
davon besonders lesenswert deepjiveinterests
UPDATE: Auch auf Nerdcore vertritt man eine ähnliche Meinung wie hier:
Die Schwarmintelligenz, die sich hier zeigt, hat vor allem einen unumstößlichen Wert, dem sie folgt und dem sie huldigt: die bedingungslose Freiheit der Information. Digg ist letztenendes ein Werkzeug dafür und wie Scaramouch ganz richtig bemerkt:
Realizing that if your product is based on open conversation, trying to control that conversation is a death knell.
[..]Das Urheberrecht ist die neue Bastille.
[…] Mir stellt sich nun bei dem aktuellen Vorgehen nur eine Frage: Was zum Teufel hat man sich bei flickr gedacht? Hat man ernsthaft geglaubt, die User würden nicht auf die Barrikaden gehen? Hat dort niemand was vom digg-Aufstand mitbekommen? […]