Die Schweizer Tagezeitung NZZ plant für nächstes Jahr, ein noch nicht näher spezifiziertes Paid-Content-Angebot einzuführen:
Dennoch plant in der Schweiz auch die NZZ-Gruppe, nächstes Jahr ein Gebührenmodell einzuführen. «Wir müssen für hochwertige Inhalte Geld verlangen», sagt Peter Hogenkamp; er ist neuer Leiter Digitale Medien beim Verlagshaus. «Sonst können wir künftig die Redaktionen nicht finanzieren.» Hogenkamp ist überzeugt, dass Tageszeitungen in einigen Jahren nicht mehr gedruckt werden und deshalb ein funktionierendes Business-Modell im Netz not tut. Heute sei der Leser gewohnt, für die physische Zustellung zu zahlen, nicht jedoch für Qualität und Verlässlichkeit der Informationen. Nun müsse man den Leser umgewöhnen. Wie das Bezahlmodell aussieht, ist noch offen. Wichtig sei aber die Benutzerfreundlichkeit: «Es muss einfach sein.» So einfach wie der Einkauf eines Musikstückes im Apple-Shop.
NZZ Online: Zeitungen wittern Geld im Internet.
Wann immer vom Umgewöhnen der Leser und ihrer Mentalität die Rede ist, statt vom Mehrwert, den man selbst bieten will, ist Vorsicht geboten. Wenn „Umgewöhnen“ bedeutet, dem Kunden das gleiche Produkt wie vorher für einen höheren Preis verkaufen zu wollen, ist das Scheitern in der Regel programmiert.
Ein weiteres Problem bei der Herangehensweise an Bezahlschranken ist oft, den Preis allein anhand der eigenen Kostenstruktur zu bilden, ohne den Markt zu beachten, weil der Marktpreis mit den Auswirkungen der Mentalität der anderen Marktseite gleichgesetzt und damit ignoriert oder zumindest diffamiert wird. Das wird sicher nicht zuletzt so gehandhabt, um unbewusst die eigenen Entscheidungen zu rationalisieren bzw. zu rechtfertigen. Aber ist es erfolgversprechend? Ich würde es bezweifeln.
Anmerkung: Peter Hogenkamp war vor seiner Anstellung bei der NZZ Geschäftsführer von Blogwerk, für das ich lange Zeit geschrieben habe und unter anderem das Blog netzwertig.com mit aufgebaut habe. Auf netzwertig.com hatte ich vor einem Jahr die Ökonomie von Bezahlschranken ausführlich behandelt. Da Peter Hogenkamp den Artikel und die allgemeine Debatte zu dem Thema sicher kennt, wird es interessant sein, wie die NZZ mit ihm als „Leiter Digitale Medien“ das Vorhaben umsetzt. Ich bleibe allerdings angesichts der Schwierigkeit des Vorhabens skeptisch. Besonders angesichts der oben angesprochenen Herangehensweise, die bereits mit den falschen Prämissen zu starten scheint.
Jochen Hoff says
Zumindest konnte Peter für einige Zeit sich ein sicheres Plätzchen verschaffen. Aber natürlich klappt der Versuch nicht.
Martinsteiger says
… als ob es heute noch keine Bezahlschranken bei der NZZ gäbe!
Die Mehrheit der NZZ-Inhalte ist nur gegen Bezahlung zugänglich, wobei man mit einem vorsintflutlichen E-Paper leben oder ein gigantisches PDF downloaden muss. Für die mobile Nutzung gibt es eine kostenpflichtige App, die aber im wesentlichen die Website abbildet.
Die gedruckte NZZ war mir zu mühsam und ich lese sie deshalb nur noch, wenn sie irgendwo rumliegt. Die Online-Ausgabe allein zu teuer und viel zu umständlich im Zugriff. Ausserdem mag ich es nicht, wenn ich Inhalte nicht verlinken, archivieren, kommentieren, etc. kann.
Mal sehen, was bei der NZZ kommt!
Marcel Weiss says
Stimmt, das ist auch so ein Thema, das selten angesprochen wird: Die großen Medienangebote stellen bereits weite Teile ihres Angebots online nur hinter Bezahlschranken zur Verfügung und dazu zählt auch die NZZ. Hätte ich im Artikel mit erwähnen sollen. Anscheinend wird die Handhabung dessen wohl überarbeitet werden. Gleichzeitig wird man wohl die frei verfügbaren Inhalte noch weiter einschränken. (alles Vermutung)
Peter Hogenkamp says
Ich bin sicher, Ihr würdet es alle viel besser machen. Aber eben, ich mache es eigentlich nur für das «sichere Plätzchen». Die 25 Jahre bis zur Rente müssen doch irgendwie rumzukriegen sein.
Martin says
Schade, kann man Kommentare hier nicht flattern! :)