Am gestrigen Dienstag hat die „Neue Zürcher Zeitung“ wie bereits angekündigt ihr Digital-Abonnement auch auf NZZ.ch lanciert. Damit können Nutzerinnen und Nutzer die Website in vollem Umfang nur noch mit einem Abo nutzen.
Eine Grundnutzung bleibt jedoch für alle kostenfrei: Für bis zu 20 Artikel pro Monat, für Zugriffe von gewissen Social-Media-Diensten sowie für alle Übersichtsseiten und Service-Inhalte ist kein Abonnement nötig. Auch die Registration, zu der nach 10 gelesenen Artikeln pro Monat aufgerufen wird und mit der individuelle Dienste wie Merkliste oder Newsletter genutzt werden können, bleibt kostenlos.
Diese Art von Bezahlschranken kann man auch Navigationsgebühren nennen, wie ich hier Anfang 2011 beschrieben hatte. Die dahinter stehende Überlegung ist auch interessant:
Zwar erkennt man die Möglichkeiten in der Vergrößerung der Verbreitung der Inhalte, wenn man frei erreichbar ist, aber man will trotzdem für den Zugang bezahlt werden.
Das Problem von Navigationsgebühren fasste Felix Salmon von Reuters damals anhand der Paywall der New York Times, dem Vorbild der aktuellen NZZ-Bezahlschranke, so zusammen:
the NYT is making it both hard and expensive to become a core loyal reader.
Bleibt die Frage, wie lang dauert es, bis jemand einen Twitter-Account programmiert hat, der jeden Tag alle neuen Artikel twittert und somit frei zugänglich macht und wie die NZZ auf diese und ähnliche Umgehungen reagieren wird. Update: Florian Steglich von der NZZ weist diesbezüglich auf den offiziellen NZZFeed-Account auf Twitter hin. /Update
(Den eigenen Zeitplan für die Einführung der Bezahlschranke hat die NZZ knapp verfehlt.)
fst says
Der geschätzte Felix Salmon. Etwa ein halbes Jahr später schrieb er, wie Du natürlich auch weißt, über die Paywall der NYT diesen: http://blogs.reuters.com/felix-salmon/2011/07/26/the-nyt-paywall-is-working/ und diesen: http://blogs.reuters.com/felix-salmon/2011/08/12/how-the-nyt-paywall-is-working/ Artikel.
Und würde es Deine Frage am Ende beantworten, wenn ich sage, daß wir jedenfalls nicht vorhaben, den Account twitter.com/NZZfeed stillzulegen, «der jeden Tag alle neuen Artikel twittert und somit frei zugänglich macht»?
Marcel Weiss says
Ja, die Artikel habe ich damals gelesen, oder zumindest einen davon. Was Salmon im oben im Text erwähnten Artikel schreibt, stimmt aber weiterhin: Paywalls sind keine Wachstumsstrategie, auch löchrige nicht. Der Erfolg der NYT-Paywall lässt sich also nicht sechs Monate nach Einführung (gibt es aktuellere Betrachtungen?) bestimmen, sondern ein paar Jahre danach, weil sich dann erst zeigt, ob das Modell gegen andere wie kleinere Publikationen, große wie HuffPo und Netzwerke wie Gawker usw. usf. bestehen kann, die ausnahmslos* alle ein anderes Modell verfolgen. (Natürlich spielt noch mehr mit in die Betrachtung. ZB dass man kurzfristig das Ausbluten aufhalten muss auf Kosten der künftigen Position, über die man später nachdenken kann, etc. pp.)
Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass die HuffPo die NYT 2011 in den Zugriffen überholt hat, auch wenn neben der Paywall noch andere Aspekte mit hineinspielen. ( http://www.theatlanticwire.com/business/2011/06/huffington-post-passes-new-york-times-traffic/38681/ )
Ich weiß nicht, welche Position im Detail die NZZ heute noch in der Schweiz hat. Aber ich könnte mir vorstellen, dass sie mit der der NYT in den USA noch immer vergleichbar ist. Im Rest des deutschsprachigen Webs ist das aber nicht so. (<- Vermutung) Je nach Struktur der Paywall gibt die NZZ in meinen Augen das Wachstum außerhalb der Schweiz auf. Nicht so sehr, als wenn Ihr sie komplett geschlossen hättet, aber doch ein Stück weit. Die Frage ist, wie groß dieses Stück sein wird.
"Und würde es Deine Frage am Ende beantworten, wenn ich sage, daß wir jedenfalls nicht vorhaben, den Account twitter.com/NZZfeed stillzulegen, «der jeden Tag alle neuen Artikel twittert und somit frei zugänglich macht»?"
Das ist zumindest sehr interessant, ja.
Insgesamt finde ich den NYT/NZZ-Ansatz spannend, bleibe aber skeptisch, weil die zugrundeliegende Logik nur bedingt Sinn ergibt.
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*Und warum? Wegen der Kostenstrukturen.
Netzpresse says
Man braucht keinen „Twitter-Account programmieren“, es reicht, JavaScript im Browser zu deaktivieren ( http://www.mediencity.de/NZZ-fuehrt-soziale-Paywall-nach-dem-Vorbild-der.6765.0.2.html ).
Dass softe Paywalls löchrig sind, wurde schon bei Errichtung der NYTimes-Bezahlmauer gezeigt. Trotzdem hat die NYTimes nach fast eineinhalb Jahren 530.000 Abos verkauft, und Skeptiker wie Salmon mussten sich korrigieren.
Der Vergleich der NYT mit Gawker passt gar nicht. Das eine ist ein mal mehr, mal weniger smartes Krawall-Medium, das auf Klicks und Pageviews gebürstet ist, hinter dem anderen steht eine große Vollredaktion.
Maik says
Ein einfaches Löschen der Cookies hebelt die 10-Seiten-anonym-lesen-Sperre auch aus (wie ich gerade mal schnell ausprobiert habe). Stümper am Werk. Denn sie wissen nicht was sie tun.