Eine der bemerkenswertesten Aspekte zur Debatte rund um Paid Content und Bezahlschranken, ist, wie sehr viele Journalisten die Geschichte der eigenen Branche ausblenden. Natürlich hat es schon unzählige, und immer wieder gescheiterte Versuche gegeben, Medien online mit Bezahlschranken zu betreiben. Oft wird aber so getan, als würde jetzt erstmals von unerschrockenen Verlagsmanagern das Dogma der ‚Umsonst-Kultur‘ durchbrochen.
Gestern erschien im Handelsblatt ein Interview mit Springer-Vorstand Mathias Döpfner, das ich gestern bereits kommentiert hatte. Der ehemalige Handelsblatt-Mitarbeiter Julius Endert beschreibt das ungeduldige Zick-Zack-Verhalten der Handelsblatt-Manager:
Das Haus zeichnet sich durch eine inkonsistente, zufällige und opportunistische Webstrategie aus. Alles wurde probiert und nie durchgehalten. „Rin in die Kartoffeln – raus aus die Kartoffeln“. Die Geschäftsführer wechselten im Jahresrhythmus und jeder brachte neue Ideen mit. Redaktionen wurden zusammengelegt, aufgepumpt, abgebaut, getrennt. Print und Online wurde vereint und wieder geschieden, waren Freunde, Feinde, Partner – arbeiteten zusammen oder auch nicht. Das ganze war Trial and Error in irrwitziger Geschwindigkeit, nur dass niemand die Ergebnisse der Versuche abwarten wollte. Bevor klar war, wie was funktioniert, wurde wieder die nächste Sau durch die Redaktion getrieben – gerne auch mit einem Redaktionsumzug verbunden.
Und über die Handelsblatt-Bezahlschranke:
Dabei hatte das Handelsblatt mit einem frühen Webauftritt um das Jahr 2000 bereits eine Paywall gemauert aber dann wollte man eben vom „explodierendem“ Onlinewerbemarkt profitieren. Ist ja auch ok – nur jetzt, wo die eigene Unternehmensstrategie der letzten 10 Jahre nicht aufgegangen ist, von einer zerstörerischen Kostenloskultur daherzureden ist einfach voll daneben.
Ist das die Normalität, von der die Handelsblatt-Journalisten im Döpfner-Interview meinen, dass sie zurückkehre? Medienjournalistin Ulrike Langer in einem Kommentar zu meinem gestrigen Artikel:
Hans-Peter Siebenhaar [einer der zwei Döpfner-Interviewer, Anm.d.B.] betätigt sich schon seit geraumer Zeit im Handelsblatt aber auch als Gastautor in anderen Publikationen als Propaganda-Sprachrohr der Verlagslobby: Pro Leistungsschutzrecht, wider die „Umsonstkultur“ des Internets, Schönreden oder zumindest nicht kritisches Hinterfragen der bisherigen Erfolge von Murdochs Times-Paywall. Für mich lässt das Schluss zu: Offensichtlich sollen die Leser darauf eingestellt werden, dass die Inhalte des Handelsblatt bald hinter einer Bezahlschranke verschwinden.
Zusätzlich sei noch angemerkt, dass entgegen den Aussagen von vielen Presseverlagsmanagern und vielen sich mit dem Thema beschäftigenden Journalisten die Mehrheit der Inhalte deutscher Pressemedien nicht frei im Netz verfügbar sind.
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