CCC-Sprecher Frank Rieger in der FAZ:
Wahrscheinlicher ist, dass Google die Offerte, die Medienhäuser an künftigen Anzeigegewinnen von Google News zu beteiligen, schon bald vorbringen wird, mit der Option des Index-Rauswurfs und endlos teuren Rechtsstreitigkeiten als Drohung in der Hinterhand.
Eine derartige Lösung entspräche der Google-Logik. Nicht ohne Grund gilt das deutsche Leistungsschutzrecht Google-intern als Präzedenzfall, den es unbedingt zu vermeiden gilt. Werbeeinnahmen nach einem Prozentsystem aufzuteilen, damit kann der Suchmonopolist leben, das funktioniert auch in anderen Bereichen des Google-Imperiums. Eine gesetzliche Zahlungsverpflichtung für Inhalte, bei der die andere Seite durch ihre Verwertungsgesellschaften die Tarife festlegt – es gibt kaum etwas Erschreckenderes für die kalifornische Internetkapitalisten-Mentalität.
Das Interessante an der FAZ-CCC-Allianz ist, dass sie vom gemeinsamen Hass auf die US-amerikanischen Internetkonzerne lebt. Auf diesem fruchtbaren Grund entstehen die FAZ-Artikel von Frank Rieger und Constanze Kurz.
Das ist beim Thema des LSR besonders wichtig, weil Frank Rieger hier den Spagat zwischen LSR-Ablehnung und Google-Ablehnung versucht. Das Problem ist natürlich, dass mit der Konzentration auf Google auch Frank Rieger das Entscheidende übersieht: Die Rechtsunsicherheit durch das geplante Gesetz in seiner aktuellen Fassung würde auch Google so sehr zu schaffen machen, dass das Betreiben einer Suchmaschine, wie wir sie heute kennen, nicht in einem Land mit diesem Gesetz möglich wäre. Und, und das ist entscheidend, diese Rechtsunsicherheit würde vor allem Startups und damit Innovation töten oder zumindest aus Deutschland vertreiben. Egal ob DuckDuckGo, Rivva oder Quote.fm.
Diesen Aspekt handelt er mit dem folgenden Satz ab: „Und die Kollateralschäden im Rest des deutschen Internets, bei Blogs und kleinen, kommerziell kaum lebensfähigen Aggregatoren sind noch nicht abzusehen.“ Dabei liegt hier das wahre Gefahrenspotential.
(Auf der anderen Seite wäre es dem latent wirtschaftsfeindlichen CCC wahrscheinlich gar nicht so unrecht, wenn weniger in kommerzielle Internetdienste investiert wird.)
Wie Frank Schirrmacher und Kollegen versteht sich auch Frank Rieger auf implizierendes Geraune:
Den üblen Geruch von „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing‘“ werden etliche Journalisten, aber auch einige selbsternannte Internetvordenker erst einmal schwer wieder loswerden.
Gehören doch alle irgendeinem Lager an! Ich würde dem Max-Planck-Institut und den Unterschreibern der Stellungnahme pauschal mehr Unabhängigkeit als den über das LSR berichtenden Chefredakteuren der deutschen Zeitungen unterstellen. Natürlich gibt es auf allen Seiten Verflechtungen. Aber in der LSR-Debatte stehen viele Kritiker aus sehr unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft, die aus unterschiedlichen Gründen dagegen sind, einer Gruppe von Presseverlagen gegenüber, die aktuell in ihrer Berichterstattung in eigener Sache vor allem lügt und täuscht.
Weil ich regelmäßig über das Internet schreibe und dabei nicht die Risiken und den Datenschutz in den Mittelpunkt stelle, gehe ich hierzulande wohl in den Augen anderer schon als Internetvordenker durch, was wahrscheinlich als Begriff abwertend gemeint ist. (Ich habe übrigens noch niemanden getroffen, der von sich selbst sagt, er sei Internetvordenker. Mit meiner Unterstellung, andere könnten mich dazu zählen, komme ich der in Deutschland so verbrämten Selbsternennung so nahe, wie niemand sonst, so weit ich weiß. Ich bin ein Genie!)
Wie dem auch sei: Ich bin weder Mitglied einer Partei noch eines Vereins noch habe ich jemals für Google gearbeitet. Ich war vor einiger Zeit Teilnehmer einer Arbeitsgruppe des von Google finanzierten Vereins Collaboratory zum Thema Urheberrecht, welche sich sehr unregelmäßig alle paar Wochen traf und mittlerweile nicht mehr existiert. In dieser Gruppe habe ich mit einschlägigen Urheberrechtsmaximalisten wie Stefan Herwig diskutiert. Google-Mitarbeiter waren, so weit ich mich erinnern kann, nie anwesend. (Ich habe auch versucht, an einer Collaboratory-Initiative zum Thema Innovation teilzunehmen. Habe das aber nach einem Tag abgebrochen, weil ich zu wenig Expertise bei den anderen Teilnehmern sah und ich mittlerweile auch auf keinen Fall mehr mit Google in Verbindung gebracht werden möchte.) Ich habe nie Geld von Google für irgendetwas erhalten. Ich setze nicht einmal Google AdSense ein (Hallo, liebe Verleger!) und habe mir auch vorgenommen, aufgrund des vergifteten Klimas in Deutschland, an dem Google nur eine kleine Teilschuld trägt, die unter anderem darin besteht, sehr erfolgreich zu sein, niemals für Google zu arbeiten oder mich anderweitig finanzieren zu lassen (Hallo, liebe Headhunter!). Und ich bin mit dieser Distanz zu Google wahrlich nicht allein.
Man vergleiche das mit der FAZ:
Reinhard Müller verantwortet bei der FAZ die Seite »Staat und Recht«, auf der vor drei Jahren Jan Hegemann, ein bezahlter Interessensvertreter von Axel Springer, als scheinbar unabhängiger Experte für das Leistungsschutzrecht werben durfte. An gleicher Stelle erschien in diesem Jahr erneut versteckte Eigenpropaganda: ein weiterer Gastkommentar pro Leistungsschutzrecht von einem vermeintlich unabhängigen Experten, der in Wahrheit ein Verlagsvertreter ist.
Was ich sagen will: Es gibt unabhängige Stimmen auch zum Leistungsschutzrecht, sowohl in der akademischen Welt als auch im Netz. (Natürlich ist man als Bürger selten vollkommen unbetroffen, und besonders als Blogger in diesem Fall erst recht nicht. Das ist aber eine andere Ebene von Abhängigkeit als etwa im Auftrag des Arbeitgebers über die Interessen des Arbeitgebers zu schreiben und diese unkritisch zu verteidigen.)
Der implizierte, nicht konkret werdende Vorwurf, der Frank Rieger bequem in die dritte, neutrale Position hieven soll, dieser Vorwurf also, jeder würde doch irgendwo dazugehören, wo direkt Gelder oder andere Vergünstigungen fliessen, und das wäre dann die Grundlage für die Debattenbeteiligungen aus den verschiedenen Richtungen, verharmlost den gerade stattfindenden Berichterstattungsskandal in der FAZ und anderen Zeitungen.
Frank Riegers Text ist trotzdem der bisher beste Artikel zum Leistungsschutzrecht, den die FAZ veröffentlicht hat.
Maik says
“ Eine gesetzliche Zahlungsverpflichtung für Inhalte, bei der die andere Seite durch ihre Verwertungsgesellschaften die Tarife festlegt – es gibt kaum etwas Erschreckenderes für die kalifornische Internetkapitalisten-Mentalität.“
Dabei übersieht Rieger, dass eine monopolistische und dabei unregulierte Verwertungsgesellschaft, die die Tarife selbst festlegen kann nicht nur für Google etwas erschreckendes ist. Als ob es die hitzigen Diskussionen um GEMA, VG Wort etc. nie gegeben hätte.
Michael Seemann says
ich finde das etwas erschreckend, wie du dich von so einem vagen geraune zu dieser distanzierung gezwungen siehst.
Marcel Weiss says
Gezwungen gesehen habe ich mich nicht. Ich habe mich auch nicht direkt angesprochen gefühlt. Hinreissen habe ich mich vielleicht lassen.
Kai Laborenz says
Ich glaub, Du hast den Artikel zu sehr auf Dich bezogen. Nach dem Lesen Deines Posts hatte ich ein sehr viel negativere Vorahnung des Rieger-Artikels als er dann schließlich (in meinen Augen) war. Der – zugegeben etwas merkwürdige – Halbsatz über die kalifornischen Kapitalisten ist eine absolute Randnotiz in dem ansonsten doch ziemlich eindeutigen Artikel.
Marcel Weiss says
Fair enough. Ich endete meinen Text allerdings auch mit dem Satz: „Frank Riegers Text ist trotzdem der bisher beste Artikel zum Leistungsschutzrecht, den die FAZ veröffentlicht hat.“