Das Gründerteam von Sobooks kann sich sehen lassen: Sascha Lobo (Deutschlands bekanntester Alpha-Kolumnist, mit Frisur), Christoph Kappes (u.a. Pixelpark), Oliver Wagner (u.a. BuzzRank) und Oliver Köster (ebenfalls Buzzrank) starten eine Plattform zum Verkauf von E-Books und dem gemeinsamen Lesen.
Plattform statt Verlag
Sobooks, das am 9. Oktober in die Private Beta ging, wurde in der Berichterstattung, die für eine deutsche Buch-Plattform wohl noch nie so ausgiebig war, oft als neuer Verlag bezeichnet. Zurückzuführen ist das auf die Eigendarstellung des Dienstes. Mitgründer Sascha Lobo bezeichnete sich selbst etwa oft als Verleger in den Interviews, die er zum Launch gab. Sobooks ist zwar zu einem kleinen Teil auch Direktverlag, also Anbieter, der Werke verlegt/verlegen wird, aber im Kern handelt es sich um eine Plattform, auf der Verlage ihre Bücher verkaufen und damit automatisch mit Zusatzfunktionen anreichern können. Zu den Verlagen zum Launch zählen unter anderem Rowohlt und Random House.
Der Buchreport hat die wichtigsten Punkte zu Sobooks zusammengefasst:
Die Bücher, die auf Sobooks (steht für Social Books) zum Verkauf angeboten werden, stehen vollständig im Internet – jede Seite eines Buchs hat eine eigene URL.
Zu den Titeln werden Leseproben (mindestens fünf Seiten) angeboten.
Der Käufer hat die Wahl, ob er das Buch im Browser lesen oder in den Formaten Epub oder PDF herunterladen möchte.
Sobooks verzichtet auf DRM, bietet Verlagen aber eine Personalisierung der Epubs an (Wasserzeichen).
Bezahlt werden kann in der Startphase mit Paypal express, künftig auch mit anderen Zahlungsmethoden.
Sharing: Der Nutzer kann Zitate aus Büchern z.B. auf Facebook teilen, der Link führt direkt in das Buch hinein.
Der Leser kann mit anderen Lesern interagieren und auf einzelnen Seiten des Buchs Kommentare hinterlassen und auf andere Kommentare antworten.
Im Fuß der Seite sieht der Nutzer eine „Heat Map“ (Foto): Linien, die signalisieren, über welche Passagen im Buch aktuell besonders intensiv diskutiert wird.
Es ist vor diesem Hintergrund erstaunlich aber nicht überraschend, dass viele Journalisten die Wortwahl der Gründer angenommen haben. Für die Gründer ist es sinnvolles, cleveres Wording gewesen. Denn Sobooks will in der schwierigen Medienwandelsdebatte, in der praktisch nie vorurteilsfrei über Internetunternehmen in den klassischen Medien berichtet wird, eher mit dem Rowohlt Verlag assoziiert werden als mit dem allseits außer bei den Kunden gehassten Amazon.
Sobooks ist Amazons Buchrundumangebot aber näher als jedem Buchverlag. Wie Amazon ist Sobooks eine Plattform, auf der E-Books verkauft werden, also ein Mittelsmann zwischen Buchverlagen und Lesern. Wie bei Amazon ist das der Kern des Geschäfts. Wie bei Amazon hat Sobooks auch einen Verlagsbereich, in dem eigene E-Books verlegt werden.
Sobooks konkurriert deshalb auch eher mit Amazon als mit einem Buchverlag.
Hier liegen auch die Probleme, oder Herausforderungen, für Sobooks. Ebenso wie Readmill, die Berliner Social-Reading-Plattform, steht Sobooks vor dem Problem, dass die eigenen Zusatzfunktionen, die soziale Ebene, in der Mehrheit der Fälle nur mit einem Medienbruch genutzt werden können.
Nur im Browser, Apps sollen kommen, keine E-Reader-Integration
Wenn Sascha Lobo Sobooks im ZEIT-Interview als das „Post-Amazon-Konzept“ bezeichnet, dann ist das tatsächlich, wie er meint, ‚mittelgrößenwahnsinnig‘. Denn das Konzept von Sobooks wird nur erfolgreich sein, wenn es vertikal integriert ist. Man kann zwar Bücher auf Sobooks im Browser lesen, aber die meisten E-Book-Fans lesen auf diese Art selten ihre Bücher. Nicht nur benötigt man ohne native Apps (für Tablet oder Smartphone) eine Internetverbindung um zu lesen, man ist so auch weit weg von E-Readern mit angenehmem E-Ink. Also den Geräten, auf denen akku- und augenschonend ausgiebiges Lesen möglich ist. Immerhin sollen native Apps für Android und iOS mit Offline-Modus noch kommen.
Man kann zwar die E-Books auf Sobooks als EPUB oder PDF erwerben, verliert aber so den sozialen Mehrwert der Plattform beziehungsweise kann ihn nur im Browser und später in den Apps auf den Nicht-E-Readern bekommen.
Hier steht Sobooks vor der gleichen Herausforderung wie Readmill. Amazon ist auch bei E-Books der Platzhirsch mit seiner Kindle-Plattform. Das Problem für Neueinsteiger sind nicht nur die aufgebauten Marktanteile. Die sind in einem noch jungen Wachstumsmarkt wie diesem nicht alles entscheidend. Es gibt einen Vorteil für Firstmover, aber der ist aufgrund der verschiedenen Richtungen, die das Produkt E-Book gehen kann, nicht so groß wie man vielleicht vermuten könnte. Entscheidender ist, wie gut Amazon technisch und bei den Ressourcen aufgestellt ist.
Der E-Reader von Amazon ist integriert in den Amazon-Shop, rudimentäre Social-Features gibt es auch schon (Man kann sich von vielen Lesern unterstrichene Passagen direkt im E-Book anzeigen lassen), und der Onlinehandelsriese hat dieses Jahr mit Goodreads die größte Community rund um Bücher übernommen. Mittelfristig wird Amazon Goodreads auf die eine oder andere Art in seine Kindle-Plattform integrieren. Es wird nicht so gut sein wie Sobooks oder Readmill, aber dafür wird es _auf dem E-Reader_ sein.
Auf Kindle kann man Bücher nicht nur im E-Reader und synchronisiert im Browser lesen sondern auch synchronisiert auf nativen Apps für iOS und Android. Das ist eine sehr viel bessere Ausgangslage für eine soziale Ebene über der klassischen Buchebene.
Es geht nicht ohne Hardwarestrategie
Um das Problem mit dem Medienbruch zu veranschaulichen, schauen wir uns ein Alltagsbeispiel an:
Eine Sobooks-Leserin besitzt einen E-Reader. Sie kauft auf Sobooks ein Fachbuch als E-Book. Um es auf ihrem Gerät lesen zu können, lädt sie die EPUB-Version herunter. Jetzt beginnt sie zu lesen. Macht sie nun beim Lesen Hervorhebungen und Anmerkungen direkt auf ihrem Gerät im EPUB? Oder sucht sie jedes Mal die entsprechende Seite und Stelle auf Sobooks im Browser auf einem anderen Gerät heraus, um sie dort zu markieren und zu annotieren? Scrollt sie beim Lesen auf dem Zweitgerät mit, um etwaige Kommentare anderer Leser zu sehen? Was macht sie unterwegs in der Bahn? Zwei Hände, zwei Geräte?
Was Sobooks, ebenso wie Readmill und vergleichbare Angebote, benötigt, ist ein E-Reader, in den sich zumindest die Grundfunktionen des Angebots integrieren lassen.
Das heißt, um gegen Amazon eine Chance zu haben, braucht Sobooks eine Hardwarestrategie.
Das muss nicht heißen, dass Sobooks einen eigenen E-Reader entwickelt. Spätestens das txtr-Debakel, Marke Duke Nukem Forever, dürfte jedem gezeigt haben, dass das nicht so einfach zu bewerkstelligen ist.
Denkbar wäre vielmehr ein Joint Venture mit verschiedenen Marktteilnehmern oder eine Beteiligung an einem solchen Projekt.
Konkret heißt das: Was die Buchbranche braucht, ist ein E-Reader mit einer integrierten Plattform für Social-Reading-Dienste. Also zum Beispiel ein E-Reader, der von Haus aus oder über eine Art Appstore die Integration der Kommentare und andere Parallellektürefunktionen von zum Beispiel Sobooks und Readmill integriert.
Aus Sicht des E-Reader-Anbieters liesse sich das technisch mit einer allgemeinen Parallellektürefunktionen-API für alle Social-Reading-Plattformen umsetzen. Noch besser (aber noch schwieriger und deswegen für den aktuellen Marktzustand wohl zu zeitaufwendig) wäre ein API-Standard. Konzeptionelle Herausforderungen bezüglich der Urheberrechte und der Abgleichung der Daten und der etwaig notwendigen Querverknüpfung von Diensten und Shops blenden wir hier einmal aus Platzgründen aus.
Das ist eine der wenigen Möglichkeiten, wie ein Lock-in dank Social-Reading-Integration bei Amazon verhindert oder zumindest gemindert werden kann.
Zum Thema Social Reading allgemein
2008 schrieb ich über die mit E-Books möglich werdende Social-Ebene:
All die Möglichkeiten, die jetzt auf öffentlich zugängliche Artikel im Web beschränkt sind, auf Bücher – auf Romane und Sachbücher – auszuweiten, wird uns eine völlig neue Welt offenbaren. Auch wenn es widersinnig und überflüssig erscheint, wie einst delicious, als es die Bühne betrat und man sich fragte, warum zum Teufel man seine Lesezeichen online ablegen sollte, so entsteht mit der Möglichkeit der öffentlichen Annotation eine völlig neue Dimension des gemeinsamen Wissens.
Wenn mir ein Freund ein Buch empfiehlt und ich während des Lesens direkt seine Anmerkungen und die von meinen anderen Freunden mit anzeigen lassen kann, dann bekommt das Lesen und der Austausch über das Gelesene einen Mehrwert gegenüber dem Lesen von bedrucktem Papier.Denken wir diese Richtung noch einen Schritt weiter.
David Weinberger schreibt in seinem Buch “Das Ende der Schublade” über elektronische Bücher (S. 267):
„Wir werden unsere Bücher dazu auffordern können, die Passagen zu markieren, die von Dichtern, Einser-Schülern, Literaturprofessoren oder buddhistischen Priestern am häufigsten noch einmal gelesen werden.“
Weinberger führt noch weitere Möglichkeiten an: Wenn wir anzeigen und aggregieren können, wo Bücher gelesen werden, können wir automatisch Listen für Bücher für den Strand oder für Reisen zusammenstellen.
Will man das immer? Immer die Metaebene mit dazu sehen und denken? Sicher nicht. Aber die Möglichkeit dazu zu haben, wird irgendwann einfach dazugehören. Ohne die Möglichkeit dazu wird etwas fehlen, sobald es dem Leser in den Sinn kommt, die Freunde auf etwas zu verweisen oder zu schauen, was andere zum letzten Kapitel zu sagen haben.
Sobooks deckt bereits einiges von dem ab, über das wir in diesem Bereich seit Jahren sprechen.
Christoph Kappes im Interview mit irights.info:
Der eigene Direktverlag ist unser Spielbein, mit dem wir Innovationen voranbringen wollen, wie neue Formate und die Autoren-Leser-Kommunikation. Die „Cobooks“ sind ja so entstanden; die haben wir uns selbst ausgedacht und sind sehr gespannt, ob Autoren diese Idee aufgreifen, eine quasi „mitkaufbare“ Rezension zu schreiben.
[..]
Was passiert mit einem Essay, wenn er online steht und unmittelbar kommentiert wird, wie Zeitungsartikel oder Blog-Beiträge? Hierfür haben wir ein „Sobooks-Lab“ für Autoren und Verlage;sie sollen experimentieren und an der Entwicklung teilhaben. Geplant sind auch Autorenabonnements, so dass Autoren über die Community ihrer Abonnenten neue Ideen entwickeln oder gar unterstützen lassen können.
An der ersten(!) Inkarnation der Social-Komponenten von Sobooks gibt es auf den ersten Blick wenig auszusetzen.
Erstaunlicherweise kommen gemeinfreie Bücher auf Sobooks bis jetzt nicht vor. Mitgründer Christoph Kappes bestätigte mir gegenüber, dass man sich durchaus die (dem Sobooks-Prinzip entsprechend selektive) Aufnahme gemeinfreier Bücher in die Sobooks-Plattform vorstellen kann. Mir scheint, dass man darüber aber noch nicht weitergehend nachgedacht hat.
Der Aufwand sollte sich dank der Vorarbeit von Project Gutenberg in Grenzen halten.
Hier liegen auch Chancen für Social-Reading-Plattformen wie Sobooks und Readmill im Bildungssektor. Entsprechende Gruppenfunktionen vorausgesetzt (also nichtöffentlich, auf gruppeninterne Interaktionen beschränkt), könnten Schulklassen etwa online gemeinsam im Unterricht und in kollaborativen Hausaufgaben direkt im Werk von Goethe, Shakespeare oder Schiller arbeiten und diskutieren.
Update: Christoph Kappes hat mich darauf hingewiesen, dass in den Sobooks Labs mit Franz Kafkas „Der Prozess“ ein gemeinfreies Buch zu finden ist. /Ende des Updates
Fazit
Amazon ist ein globaler Konzern, der seit Jahren seine Gewinne in neue Geschäftsfelder reinvestiert. Dem muss man sich bewusst sein, wenn man mit Amazon konkurrieren will. Besonders wenn es um einen Markt geht, der von Amazon verhältnismäßig geringe Investitionen verlangt. Die Übernahme von Goodreads mag die Branche erschüttert haben. Die vermuteten 150 Millionen US-Dollar, die Amazon dafür bezahlt haben soll, sind Peanuts für das Unternehmen, bedenkt man die strategische Bedeutung. Zum Vergleich ein paar Zahlen: Amazon-CEO Jeff Bezos hat persönlich 100 Mio. $ mehr für die Washington Post bezahlt. Amazon hat 2010 etwa für 540 Mio. US-Dollar Diapers.com übernommen. Zappos wurde mit Amazon-Aktien mit einem damaligen Gegenwert von umgerechnet 807 Mio. $ übernommen. Weit über 175 Millionen $ hat Amazon in LivingSocial investiert. Goodreads, die größte Community im Buchbereich: 150 Millionen US-Dollar.
Stellt man dem die Investitionen in Sobooks gegenüber, wird deutlich dass bei dem deutschen Dienst sehr viel kleinere Brötchen gebacken werden und man sich doch nicht richtig auf den direkten Kampf mit Amazon einlassen will. Christoph Kappes laut Buchreport:
Laut Kappes liegt das bisherige Investitionsvolumen im sechsstelligen Bereich, nehme man das Arbeitsvolumen hinzu, sei die Summe siebenstellig.
Es ist natürlich nicht grundsätzlich notwendig, in der gleichen Höhe wie ein etablierteres Unternehmen Investitionen zu tätigen, um mit diesem erfolgreich zu konkurrieren können. In diesem speziellen Fall verlangt der Hardwarehintergrund, siehe die Ausführungen zum Medienbruch, allerdings leider eine investitionsintensivere Herangehensweise als Sobooks (oder etwa auch Readmill) bis jetzt bereit ist zu gehen oder gehen kann. Das lässt sich unter Umständen mit Kooperationen, wie oben beschrieben, abfangen. Aber solang diese nicht kommen, wird der Erfolg beschränkt sein.
Social Reading ist ein spannendes Feld und Sobooks hat interessante Ansätze geplant. Aber Sobooks fehlt aktuell die Ausstatttung und vielleicht auch der Wille, um langfristig gegen Größen wie Amazon erfolgreich sein zu können.
Ein „Post-Amazon-Konzept“ kann man erfolgversprechend nur angehen, wenn man bereit ist, auf der gleichen Ebene wie Amazon zu spielen. Den Eindruck macht Sobooks leider noch nicht.
saschalobo says
(Grrr, kommentiere ich, obwohl Disqus großer, doofer Quark ist.)
Lieber Marcel, Du weisst, dass ich Dich schätze und ich versuche das immer wieder auch öffentlich zu betonen. Du hast mit Deinen Texten bei mir wichtige Nachdenkprozesse ausgelöst, ohne die ich weniger wüsste über das Internet. Und danke auch für Deine in Teilen freundlichen Einschätzungen in diesem Artikel. Aber. What the fucking fuck?
Am ALLERERSTEN Tag der Closed Beta (!) einer Plattform, die bisher ganz ohne Investoren entstanden ist, kommst Du zu der Schlussfolgerung, dass wir noch nicht bereit wären, es mit Amazon aufzunehmen?
Und Du musst dabei nicht ROFLN, über den Boden, mit Tränen in den Augen?
Ernsthaft?
Natürlich könnte Amazon uns plattmachen, wie es das mit allen anderen Marktteilnehmern – wegen deren Unverständnis der Sache – tut. Aber darum geht es weniger, weil das für beinahe jedes Vertriebs-Geschäftsmodell im Netz gilt. Ich glaube auch nicht, dass Amazon social kann. Alles deutet darauf hin, dass sie Apple werden wollen, und dass sie unter social verstehen, noch mehr vom Gleichen dazuzukaufen (nämlich Goodreads, die weitgehend dasselbe Rezensionsgetöse anbieten, das Amazon schon hat).
Dein zentrales Missverständnis ist aber die Rolle des E-Readers. Da überschätzt Du meiner Ansicht nach den Reader als Spezialgerät. Nach meiner Einschätzung wird der reine E-Reader in wenigen Jahren ein Nischenprodukt sein. Dazu zwei Quellen:
a) die Marktzahlen der E-Reader in den USA aus dem letzten Jahr (qualifizierte Schätzung, minus 36% Verkaufsvolumen)
http://online.wsj.com/news/articles/SB10001424127887323874204578219834160573010
b) die deutschen, aktuelleren (und daher für uns wichtigeren) Zahlen, nämlich die jüngste Studie von BITKOM:
http://www.bitkom.org/77489_77541.aspx
Deren Ergebnisse fasse ich mal zusammen (alle Zahlen D):
Absatz E-Reader 2013: 832.000 Stück
Absatz Tablets 2013: 8 Mio Stück
Geräte, auf denen man E-Books liest:
– Computer 77%
– Smartphone 58%
– Tablet 22%
– E-Reader 18%
Mit sobooks können wir (ab demnächst, ca November) die drei wichtigsten Lesegeräte bedienen. Das reicht nicht, um alle von Amazon wegzukriegen, weil der E-Reader für manche Anwendungen schon das beste Lesegerät ist. Aber das reicht, um einen schönen Markt aufzubauen.
Marcel Weiss says
(Disqus ist super. Seit Jahren.)
„Am ALLERERSTEN Tag der Closed Beta (!) einer Plattform, die bisher ganz ohne Investoren entstanden ist, kommst Du zu der Schlussfolgerung, dass wir noch nicht bereit wären, es mit Amazon aufzunehmen?“
So kann man es zusammenfassen. Aber das ist nicht die Gesamtheit meiner Argumentation, bei der es mir um den Markt der E-Books und E-Reader ging, bei dem Ihr – wie jeder, der Zusatzfunktionen anbietet, aber keinerlei Zugriff auf die primären Geräte hat – einen schwierigen Stand habt.
Amazon ist sicher schwerfälliger als ein Startup wie Readmill oder Ihr. Aber das Unternehmen, das Userreviews von Produkten als erstes richtig groß gemacht hat und dort noch immer innovativ ist, als unfähig in Sachen social zu bezeichnen, halte ich für gewagt, um es vorsichtig auszudrücken.
(Goodreads Rezensionsgetöse könnte übrigens auch darauf hindeuten, dass Amazon nicht mehr vom gleichen wollte, sondern auch sicherstellen wollte, dass kein Mitbewerber bei den Buchrezensionen durch Übernahme der Community an Amazon aufschließen kann.)
Amazon muss auch nicht ansatzweise so gut wie Ihr oder Readmill werden, weil dessen schlechtere Funktionen immer noch direkt auf dem Gerät stattfinden könnten. Das habe ich auch im Text erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt. (Mein Fehler.)
Zum E-Reader:
Du weißt genau so gut wie ich, dass der Kindle der mit großem Abstand dominierende E-Reader ist. Und du weißt genau wie ich, dass Amazon keine Absatzzahlen zum Kindle veröffentlicht und noch nie veröffentlicht hat. Das macht leider jede Untersuchung zu dem Thema praktisch nutzlos. Denn Amazon stellt den Kindle nicht nur her, sondern verkauft ihn auch nur über die eigene Site UND bespielt die Inhalte selbst. Amazon hält also alles in der Hand und nennt keine konkreten Zahlen, was die Kindle-Plattform zu einer Black Box macht. Lediglich die Kindle-Absatzzahlen der Verlage könnten da weiterhelfen für vage Indizien. Zumindest so lang Amazons eigene Inhalte noch nicht dominieren.
Und das ist alles so gewollt. Denn wenn Konkurrenten nicht wissen, wie viel der Marktführer verkauft, ob seine Zahlen steigen oder fallen, können sie auch den Markt nicht einschätzen. Und es führt dazu, dass zum Beispiel Jungunternehmen wie Ihr Gefahr laufen, falsche Entscheidungen zu treffen.
Meine anekdotischen Erfahrungen – ich sehe immer mehr Kindles auf Flughäfen und in der Bahn – sind genau so aufschlussreich oder nutzlos wie die E-Reader-Absatzzahlen der Studien, die du nennst. (Die Zahlen, selbst wenn sie stimmen, kann man btw. nicht einfach vergleichen, denn bei z.B. Tablets kann ich mir aufgrund der Entwicklung jetzt gut jedes Jahr ein neues kaufen, während ich das beim E-Reader aufgrund der anderen Nutzung nicht muss. Das bedeutet, dass zwei, drei Jahre alte E-Reader immer noch zum Lesen und Kaufen von E-Books benutzt werden. E-Reader sind viel additiver als Tablets, bei denen vor allem alte Androidgeräte in Schubladen liegen dürften. Das ist wiederum wichtig für Unternehmen wie Sobooks. Das relativiert nämlich ein Stück weit die (möglicherweise) niedrigen Absatzzahlen.)
Wir wissen also beide nicht, wer recht hat. Das werden wir erst in ein paar Jahren anhand der Absatzzahlen der E-Books herleiten können.
Aber nehmen wir an, du hast Recht und E-Reader gehen in eine kleinere Nische im Vergleich zu Tablets. Dann heißt das noch immer nicht, dass eure Abwesenheit auf E-Readern kein Problem ist. Denn E-Reader werden von Viellesern genutzt. Also die Poweruser, die Rezensionen schreiben, markieren, kommentieren. Das sind genau die, die man als Social-Irgendwas-Anbieter braucht. Stichwort 90-9-1-Regel. http://neunetz.wpengine.com/2011/09/14/90-9-1/
Diesen Powerusern wird die Nutzung erschwert und die werden vielleicht eher die schlechteren Amazon-Funktionen nutzen, einfach weil diese auf deren Geräten sein werden. Und die Tablet-Käufer, die keine Vielleser sind? Die könne auf ihren Tablets und Smartphones immer noch die Kindle-App nutzen.
So sehr ich Euch Erfolg wünsche, so sehr befürchte ich leider, dass das ein großes Problem für euch wird. Vor allem, da ich den Eindruck habe, dass Ihr zumindest am Anfang versucht, das ohne VC hochzuziehen. (So wie ich das von außen lese, ist Sobooks gebootstrappt. Zumindest ist nirgenwo von Angelinvestoren oder anderen die Rede. Christoph spricht hier von Investorengesprächen: http://www.wuv.de/digital/social_media_plattform_sobook_sascha_lobo_ist_natuerlich_der_aussenminister ) So sehr ich die Abneigung gegen VCs und aggressives Wachstum verstehen kann, wenn es denn das ist, so sehr befürchte ich, dass sich hier Euer Zeifenster schnell schließen kann. Deshalb verstehe ich auch nicht, wieso man ohne externe Investoren (so lese ich das) zwei Jahre unter Ausschluss der Öffentlichkeit entwickelt hat. Das ist eine sehr lange Zeit zur ersten Iteration. Es gab sicher auch dafür gute Gründe, aber die Zeit arbeitet gegen Euch. Die Zeit arbeitet für Amazon.
Es kann natürlich sein, dass der Kindle total unpopulär und Amazon unfähig beim Social Reading ist. Aber was wenn das Gegenteil der Fall ist? Das halte ich zumindest für möglich bis wahrscheinlich.
Ich bin auf jeden Fall gespannt. Einen guten ersten Schritt habt Ihr gemacht. Ich hoffe nur für Euch (und den Rest von uns), dass Ihr mehr Pläne habt, als auf eine rückläufige Entwicklung bei E-Readern zu hoffen. Immerhin habt Ihr einige namhafte Verlage gewinnen können. Das ist schon mal auch ein guter Start.
–
P.S. für alle Mitlesenden: Update zu den gemeinfreien Büchern im Text nach einem Hinweis von Christoph Kappes.
Jakob Jochmann says
Ich finde es schon ein wenig fragwürdig, dass du hier allein auf Grundlage anekdotischer Evidenz argumentierst. Das schreibst du auch erst in deinem Kommentar, nachdem du im Artikel Fakten behauptest. Obendrein glaube ich, dass deine Analyse des elektronischen Buchmarktes von wenig Einblick in die Branche geprägt ist.
In Deutschland steht noch (auf wenigstens eine Legislaturperiode hin absehbar) die Buchpreisbindung im Raum, die Amazons übliches Marktgebaren aushebelt. Solche Besonderheiten eines Marktes in einer Analyse auszulassen, ist nicht gerade viel versprechend. Das Beispiel Diapers.com sagt uns überhaupt nichts darüber, wie Amazon durch Preisbindung geschützte Wettbewerber aus dem Markt drängen will.
Sicherlich hat Sobooks einige Schwächen. Die liegen aber nicht unbedingt da, wo du sie verortest. Ich sehe die Schwierigkeiten eher in der Frage von Usability und konkreten Nutzerszenarien, in denen „social“ nicht skaliert. Ohne Mehrwert kein Markt.
Nebenbei bemerkt: Der eReader-Markt ist überhaupt nicht der, der von „books in browsers“ angegangen wird. Das eigentliche Pfund, bei dem ich höchsten Respekt vor Sobooks habe, dass sie dass überhaupt bekommen haben, sind Lizenzen! Amazon hat (außer bei eigenen imprints) keine Lizenzen an den Büchern, die sie verkaufen. Die Leistung für Verlage ist online retail. Allein aufgrund dieser Konstellation hat Sobooks die Chance, sich eine Nische zu erarbeiten, die für Amazon dann doch außerhalb des momentanen Kerngeschäfts steht. Und mal im Ernst, die Exit-Strategie „von Amazon aufgekauft werden“ ist jetzt auch nicht das schlechteste Szenario für Gründer.
Marcel Weiss says
Das ist eine eigenwillige Interpretation meines Kommentars. Mein Artikel basiert nicht auf anekdotischer Evidenz. Ich wollte in dem Kommentar nur sagen, dass das, was wir im Alltag beobachten können, genau so sinnvoll/nutzlos ist wie die Studien zu Absatzzahlen von E-Readern, weil die Unternehmen, die die Marktstudien machen, beim E-Reader-Markt dank der Dominanz des Kindles und der Tatsache, dass Amazon da alles (Produktion, POS, Inhalte) in einer Hand hat, keinerlei Hebel zur Datenerhebung haben. Abgesehen von Konsumentenbefragungen.
„In Deutschland steht noch (auf wenigstens eine Legislaturperiode hin
absehbar) die Buchpreisbindung im Raum, die Amazons übliches
Marktgebaren aushebelt. Solche Besonderheiten eines Marktes in einer
Analyse auszulassen, ist nicht gerade viel versprechend. Das Beispiel Diapers.com sagt uns überhaupt nichts darüber, wie Amazon durch Preisbindung geschützte Wettbewerber aus dem Markt drängen will.“
Auch deshalb setzt Amazon auf Selfpublishing (Auch Stichwort Kindle Worlds) und ein einen eigenen Verlag. Denn die Preisstrategien der Verlage sind für Amazon in anderen Ländern ein Problem. In Deutschland kommt die Buchpreisbindung noch dazu.
Die Buchpreisbindung arbeitet leider auch gegen Sobooks. Man könnte dank der zusätzlichen Werbung über die Social Networks die Sobooks-Ausgabe günstiger anbieten. Das geht aber leider nicht, weil alle E-Book-Ausgaben bei allen Shops den gleichen Preis haben müssen. Das heißt, wenn ich bei Amazon ein Buch schon gekauft habe, kann ich nicht einfach bei Sobook für wenig Geld in die Diskussion reinspringen, sondern muss noch einmal den gleichen Betrag bezahlen.
Vielleicht arbeitet das auch für Sobooks und viele entscheiden sich gegen Amazon, wenn sie die Wahl haben, aber der dafür notwendige Netzwerksog wird noch eine Weile dauern. (Ob er groß genug sein wird, ist offen.)
Diapers.com und die anderen Übernahmen wurden nur zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Investitionsvolumina erwähnt.
„Der eReader-Markt ist überhaupt nicht der, der von „books in browsers“ angegangen wird.“
Ich bin nicht sicher, ob diese Marktsegmentierung Sinn ergibt. Hier dürfte auch der Dissens liegen.
Jakob Jochmann says
Fair enough.
David Prochnow says
Eine andere nicht uninteressante Möglichkeit, die sich ergeben könnte, wäre es, wenn in die in ebook-Readern ja oft vorhandenen Webbrowser ein bisschen HTML5-offline-Gedöns eingebaut würde.
Damit werden wohl nicht unbedingt amazon beim Kindle oder der deutsche Buchhandel bei seinen eReader-Versuchen anfangen, aber warum nicht Sony und Co.?
Thorsten Mücke says
(DISQUS IST GUT, NUR AUF DEM IPAD IST ES EIN KLEIN WENIG BUGGY)
Der Kommentar-Thread liest sich sehr interessant und es ist spannend, an welchen Stellen sich der Disput entspinnt. Es scheint jedoch, dass Ihr eigentlich grundsätzlich einer Meinung seid, nur unterschiedliche Vorstellungen davon habt, wo Sobooks hin soll oder will.
Sobooks wird das große Amazon kaum angreifen können. Amazon wird bei den Umsätzen vermutlich von der Existenz Sobooks nicht mal etwas merken. Aber warum soll es nicht auch einen Markt neben Amazon geben, so wie bisher? Hier sehe ich ein zwar ungleich kleineres Segment, in dem Sobooks aber durchaus (hoffentlich genug) Platz haben könnte. Ich bin sehr davon angetan, dass ein Anbieter diesen Schritt mal macht. Und dann auch noch einer, der vom Personal, vom Renommee und von der Gefolgschaft her tatsächlich die Möglichkeit hat, in jeder Hinsicht eine kritische Größe zu erreichen. Die neue Art der suchmaschinenoptimierten und sozial teilbaren Leseprobe, ein neues Niveau an Zugänglichkeit in den Buch-Content hinein, die Anbindung der Social-Funktionen, das sind hochinteressante Ansätze. Entscheidend dürfte sein, wie gut die Applikationen sein werden, die das alles richtig gut können sollen. Und ob sich damit wirklich ein Lesegefühl einstellen wird und ob die neuartigen Funktionen wirklich überzeugend implementiert werden.
Die Kritik Sascha Lobos an den E-Book-Readern sehe ich nur auf die heutigen Modelle beschränkt. Die Modelle von morgen werden wahrscheinlich ein Stück mehr Tablet-PCs sein. Davon spricht Jeff Bezos ja schon heute. Letztlich ist das eine Frage des Preises, der für Tablet-PCs deutlich sinken könnte. Ich warte auf den ersten E-Ink-Tablet für 199 Euro mit App-System, ziemlich sicher von Amazon.
Schwierig für Sobooks könnte es dann immer noch sein, dass sie nicht in den bestehenden Ökosystemen, allen voran dem Kindle, aufgenommen werden. Aber es ist ja auch nicht gesetzt, dass Amazon das Kindle-System nicht für Apps von Drittanbietern öffnen wird. Der Kindle Fire (wo die Reise ja eventuell hingehen könnte) kann sowas ja achon. Wer hätte zum Beispiel früher gedacht, dass Amazon auf einem Marketplace auch andere Händler in seinen Shop mit aufnehmen wird? Warum soll dieser Schritt nicht auch bei digitalen Produkten im Kindle-Ökosystem erfolgen? Amazon würde seine zentrale Stellung damit noch weiter ausbauen können und könnte noch mehr Umsatz- und in diesem Modell vor allem Ertragsquellen erschließen.
Ich hoffe sehr, dass Sobooks gute Reader bereitstellen wird, dass die Ausrichtung auf die richtigen Zielgruppensegmente erfolgt und dass der Shop genug guten Content bieten wird. In der weiteren Entwicklung werden dann noch andere schwierige Fragen auf das Unternehmen hinzu kommen. Was ist etwa mit stärker layout- und bildorientierten Büchern, die zum Beispiel EPUB3 abbilden können wird? Kann das der Online-Reader dann auch? Er dürfte auf keinen Fall in der Darstellungsqualität hinter die Standards zurückfallen.
Sobooks hat eine Riesenaufgabe vor sich und kann jetzt noch viel falsch machen. Wenn sie das nicht tun, was absolut wünschenswert wäre, gäbe es vielleicht wirklich einen ersten richtig ernstzunehmenden innovativen deutschen Anbieter, der es in die Zukunft schaffen könnte. Zuerst und wohl eine ganze Weile und vielleicht auch dauerhaft neben Amazon, das ist klar.
Und ich kann mir gut vorstellen, dass Du, Marcel, (vielleicht auch mit den Händen in den Taschen oder hinterm Rücken versxhränkt) mit am stärksten die Daumen drückst. Ich sehe Deine Kritik aber hier eh als konstruktiv und förderlich gemeint und Du drückst das ja auch so aus.
ckappes says
Gute Diskussion. Aber dieses entweder Sobooks oder Amazon trifft ja nicht zu. Zum einen entwickeln wir das Produkt weiter, vom eBook zu einem neuen Produkt, das nach digitalen Gesetzen funktioniert. Zum anderen sind wir zwar vom (alten) Geschäftsmodell her Wettbewerber, der Markt ist aber gross genug für uns neben Google, Apple, Amazon. Wir haben USPs, und dazu gehört übrigens auch das Thema Buchpreisbindung. Watch out.
Marcel Weiss says
Ich bin gespannt.